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Kampf gegen den Mietenwahnsinn wird europäisch
Bürgerinitiative will EU-weit eine Million Unterschriften für mehr bezahlbaren Wohnraum sammeln / Zehn Prozent der Europäer haben zu hohe Wohnkosten
Berlin. Für deutlich mehr bezahlbaren Wohnraum macht sich nun auch eine europaweite Bürgerinitiative stark. Unter dem Titel »Housing for All« sollen in den EU-Mitgliedstaaten in den kommenden Monaten mehr als eine Million Unterschriften gesammelt werden, wie die Sprecherin der Europäischen Bürgerinitiative »Housing for All«, Karin Zauner-Lohmeyer, am Dienstag bei der Präsentation in Berlin erklärte. Ziel sei es, in ganz Europa bessere rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für bezahlbares und soziales Wohnen zu erreichen. Unter anderem solle der gemeinwohlorientierte Wohnungsbau künftig bei 50 Prozent liegen.
Werden bis zum 18. März 2020 mehr als eine Million Unterschriften in ganz Europa gesammelt, dann müssen sich sowohl die EU-Kommission und auch das Europäische Parlament mit dem Anliegen befassen. Die Mindestzahl an Unterschriften in Deutschland liegt bei 72.000.
Die aus Wien stammende Zauner-Lohmeyer verwies darauf, dass nach Angaben des EU-Statistikamts Eurostat rund 52 Millionen oder 10,4 Prozent der Europäer von Wohnkosten überlastet seien. Sie bezahlten mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für Wohnen. In Deutschland seien fast zwölf Millionen Menschen oder 14,5 Prozent der Bundesbürger betroffen - deutlich mehr als Österreich Einwohner habe.
Dossier: Wem gehört die Stadt?
Gegen den Ausverkauf der Wohninfrastruktur und des öffentlichen Raums
Viele Menschen würden durch die hohen Wohnkosten aus Städten verdrängt. Ganze Berufsgruppen wie Busfahrer, Krankenpflegepersonal, Feuerwehrleute, Reinigungskräfte oder Polizeibeamte könnten sich das Wohnen in Innenstädten nicht mehr leisten. »Zudem steigt die Zahl der Obdachlosen in ganz Europa rasant an«, betonte Zauner-Lohmeyer. In Deutschland seien aktuell rund 860.000 Menschen obdachlos.
Die Europäische Bürgerinitiative wird in Deutschland vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), vom Deutschen Mieterbund (DMB) und vom Berliner Mieterverein unterstützt. DGB-Bundesvorstand Stefan Körzell bezeichnete »Housing for All« als »Weckruf« an die Politik. Es bestehe der Eindruck, dass die politisch Verantwortlichen noch nicht verstanden hätten, wie drängend das Wohnungsproblem für viele Menschen aus allen sozialen Schichten sein.
Vergesellschaftung als »ultima ratio«
DMB-Bundesdirektor Lukas Siebenkotten betonte, dass sich die europäische Initiative als Ergänzung zu der aktuell kontrovers diskutierten Berliner Enteignungs-Initiative sehe. Während die am vergangenen Wochenende gestartete Berliner Kampagne auf eine Stabilisierung der Mieten abziele, gehe es bei »Housing for All« um den dringend nötigen Bau neuer bezahlbarer Wohnungen. Eine Vergesellschaftung von großen privaten Immobilienunternehmen nach Grundgesetzartikel 15 bezeichnete Siebenkotten zugleich als »ultima ratio«, als letztes, aber zulässiges Mittel, das für die Schaffung von mehr sozialem Wohnraum nicht auszuschließen sei.
Enteignung und Entgeisterung
Die mögliche Sozialisierung von Wohnraum schreckt sogenannte Bürgerliche auf
Unterdessen verteidigte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck seine Äußerungen, wonach angesichts stark steigender Mieten auch über Enteignungen nachgedacht werden sollte. Habeck sagte am Dienstag im RBB-Inforadio, es gebe verschiedene Möglichkeiten: Zum Einen könne man die Mieten und damit die Renditeerwartungen deckeln, »aber denkbar ist auch zu sagen, wir kaufen das zurück, das ist ja nicht Enteignung wie in der DDR, sondern Enteignung gegen Entschädigung.« epd/nd
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