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Bremsklotz für den sozialen Wohnungsbau

Eine Europäische Bürgerinitiative fordert eine Reform der Maastricht-Kriterien, damit EU-Staaten wieder für bezahlbare Mieten sorgen können

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Nicht nur in Deutschland hat sich der Mangel an bezahlbarem Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung zu einer zentralen sozialen Frage entwickelt. Die Europäische Bürgerinitiative »Wohnen für Alle« will die EU-Kommission deshalb dazu verpflichten, Schritte für eine Stärkung der sozialen Wohnraumversorgung einzuleiten. Am Dienstag stellte sich die Initiative in Berlin vor.

Gründerin und Sprecherin ist Karin Zauner-Lohmeyer, die beim Magistrat der Stadt Wien in der kommunalen Wohnungsverwaltung tätig ist. Sie will mit der Kampagne vor allem erreichen, »dass die EU-Gesetzgeber bessere rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für die soziale Wohnraumversorgung schaffen«. Denn Europa befinde sich in einer dramatischen Wohnungskrise und »mit dem Menschenrecht auf Wohnen wird derzeit in einem unfassbaren Ausmaß spekuliert«. Längst sei klar, dass der »ungezügelte Kapitalmarkt niemals breite Schichten der Bevölkerung mit leistbarem Wohnraum versorgen kann«.

Zwar liegt die Kompetenz für Wohnungspolitik laut Zauner-Lohmeyer weitgehend bei den einzelnen Mitgliedsstaaten, doch sind die sogenannten Maastricht-Kriterien und das Beihilfe- und Wettbewerbsrecht regelrechte Bremsklötze für mehr sozialen Wohnungsbau. So verwies Zauner-Lohmeyer auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes wegen einer Klage eines privaten Wohnungsbauunternehmens, in dem die Richter Dänemark dazu verurteilten, die direkte Förderung des sozialen Wohnungsbaus und die damit verbundene »Benachteiligung« privater Investoren zum Beispiel bei der Baulandvergabe einzuschränken.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) unterstützt die Kampagne der Mieterinitiative und wird sich aktiv an der Unterschriftensammlung für ihre Petition beteiligen. Für DGB-Bundesvorstandsmitglied Stefan Körzell geht es dabei auch darum, »dass die EU endlich auch ein soziales Gesicht zeigt«, um dem »Frust vieler Menschen« über Europa entgegenzuwirken. Eine Investitionsoffensive für den sozialen Wohnungsbau könne dabei einen wichtigen Beitrag leisten.

Körzell hält dafür eine Modifizierung der Maastricht-Kriterien für unumgänglich, die eine Obergrenze für die Gesamtverschuldung und die jährliche Nettoneuverschuldung der EU-Mitglieder beinhalten. Damit die Staaten mehr Mittel für Wohnungsbau haben, müssten etwa öffentliche Investitionen und Darlehen für die Wohnbauförderung aus der Defizitberechnung herausgenommen werden. Dies gilt Körzell zufolge auch für Deutschland, wo die Schuldenbremse ab 2020 in den Bundesländern, die hauptsächlich für den Wohnungsbau verantwortlich sind, verbindlich greift.

Sowohl in Deutschland als auch in der gesamten EU »muss die öffentliche Hand wieder als Akteur beim Wohnungsbau auftauchen, statt das Feld börsennotierten Immobiliengesellschaften und Finanzinvestoren zu überlassen«, fordert Körzell. Die Privatisierungen vormals öffentlicher Bestände in den vergangenen Jahrzehnten seien ein »verheerender Fehler gewesen«, der jetzt korrigiert werden müsse. Daher müssten neben dem forcierten Bau von Wohnungen mit dauerhafter Sozialbindung auch Deckelungen von Bestandsmieten angegangen werden. Auch Enteignungen, wie sie derzeit in Berlin per Volksentscheid durchgesetzt werden sollen, könne man »als letztes Mittel nicht ausschließen«.

Im Fokus der Initiative steht aber auch die zunehmende Zweckentfremdung von Wohnraum für Kurzzeitvermietungen an Touristen. Zauner-Lohmeyer verweist auf Lissabon, wo mittlerweile fast 30 Prozent aller Wohnungen ganz oder zumindest die meiste Zeit des Jahres über große Internetportale wie Airbnb als Ferienwohnungen vermietet werden. Dabei fehlten europäische Rahmenregeln, die es den einzelnen Ländern erleichtern, gegen diese Portale vorzugehen, kritisiert Zauner-Lohmeyer.

Damit ihre Petition erfolgreich ist, müssen bis Ende März nächsten Jahres mindestens eine Million Unterschriften eingereicht werden. Dabei muss in mindestens sieben EU-Ländern das jeweilige nationale Quorum erreicht werden, in Deutschland sind das 72 000 Unterschriften. Gelingt dies, müssen sich EU-Kommission und EU-Parlament mit der Petition befassen. Zauner-Lohmeyer ist zuversichtlich, dass es dazu kommt: »Wir stoßen auf große Resonanz, sowohl bei Nichtregierungsorganisationen als auch bei Verbänden und Gewerkschaften.« Mit Parteien werde man aber nicht institutionell kooperieren. In Deutschland unterstützt neben dem DGB auch der Deutsche Mieterbund die Initiative.

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