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Jung, alt, ausgetrickst
Umweltschutz, Sozialstaat, Schulden: Ständig ist von einem Generationenkonflikt die Rede. Interessant ist, was dabei ausgeblendet wird.
Politiker und Ökonomen aus der konservativen Ecke haben ein spezielles Sorgenkind: die Jugend von heute und von morgen. Sie sehen seit einiger Zeit einen Generationenkrieg am Werk: Die Alten, so heißt es, beuten die Jungen aus.
Die Erzählung vom Generationenkrieg hat verschiedene Kampffelder. Zum Beispiel die Rente: Um die Renten von heute zu bezahlen, wird den Jungen das Geld aus der Tasche gezogen, heißt es. Weil die Alten so teuer sind, unterbleiben Zukunftsinvestitionen und müssen künftige Generationen verzichten. Ihnen hinterlassen wir zudem eine zerstörte Umwelt, weil heute die natürlichen Ressourcen des Planeten geplündert und Klimagase in die Luft geblasen werden. So wird der aktuelle Wohlstand gesichert - auf Kosten der Jugend. »Macht es wie eure Kinder: Werdet erwachsen!«, schallt es den Alten von den Fridays-for-Future-Schülerdemonstrationen entgegen. Nicht nur Klima und Rente gelten als Hypothek für unsere Enkel, auch die Staatsschulden. Denn um sie zu bezahlen, müssten in Zukunft die Steuern erhöht werden.
Laut Ökonomen ist diese Bevorzugung der Alten kein Zufall. Denn Menschen hätten erstens ohnehin einen begrenzten Zeithorizont, kümmerten sich also wenig um Kosten, die nach ihrem Tod anfielen. Zweitens gebe es immer mehr ältere Menschen, und dieser gealterten Wählerschaft diene sich die Politik mit immer neuen Versprechen und Zusagen an. »Alle unter 40 müssen sich jetzt wehren«, agitierte jüngst »Focus«-Redakteurin Philine Lietzmann.
Die Erzählung vom Generationenkonflikt ist mittlerweile omnipräsent. Einer, der dagegen Einspruch erhebt, ist der US-Ökonom Dean Baker. Er twitterte kürzlich: »Es gibt eine unbegrenzte Zahl von Quatschtexten, die versuchen, Klassenkampf in einen Generationenkampf umzuleiten.«
Grund genug also, einmal nachzuschauen, wie stichhaltig die von liberalen und konservativen Geistern erzählte Geschichte ist. Dabei entdeckt man merkwürdige Schuldzuweisungen und ausgedehnte Leerstellen. Aufschlussreich ist gerade das, was in der Erzählung ausgeblendet wird.
Rente I: Wofür »abrackern«?
Die vielen Rentner sind eine Last für die arbeitende Bevölkerung – das wird seit Jahren immer wieder behauptet. Derzeit wird auf diese Weise die Grundrente kritisiert, die Arbeitsminister Hubertus Heil plant. »Die Jungen müssen zahlen, die Alten kriegen ein Geschenk und zwar kein kleines«, sagt Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwissenschaft an der Uni Freiburg. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer findet es »respektlos, Arbeitgebern und Beschäftigten, die sich jeden Tag abrackern, die Kosten aufzubürden«.
Laut den Kritikern verläuft der Gegensatz zwischen jungen und alten Menschen. Dabei blenden sie erstens aus, dass die meisten Jungen auch irgendwann ins Rentenalter kommen. Dann brauchen auch sie ein auskömmliches Einkommen. So würden von der Grundrente junge Menschen mit niedrigen Einkünften im Alter profitieren: Eine 30-jährige Person, die sich die nächsten 35 Jahre in einem schlecht bezahlten Job »abrackert«, hätte Anspruch auf eigenständige Altersbezüge. Etliche Personen, die lange für wenig Geld gearbeitet haben, wären im Alter bessergestellt. Das lohnt sich auch für die Jungen.
Bislang sind Niedriglohnempfänger hierzulande im Alter schlecht abgesichert. Die Industrieländerorganisation OECD legte 2017 folgende Berechnung vor: Ein junger Geringverdiener, der in den kommenden Jahrzehnten ununterbrochen bis zum Rentenalter erwerbstätig ist, kann in Deutschland lediglich mit einer gesetzlichen Nettorente von 55 Prozent seines früheren Nettogehalts rechnen. Im EU-Durchschnitt sind es hingegen 80 Prozent.
Zweitens blenden die Kämpfer für die Jugend aus, dass auf Sozialleistungen Menschen mit geringen und mittleren Einkünften angewiesen sind – und zwar in jedem Alter. Sie erhalten Kindergeld, Bafög, Wohngeld, Arbeitslosengeld, sie sind kranken- und rentenversichert. Sehr Reiche brauchen den Sozialstaat nicht.
An der Finanzierung der Sozialleistungen sollen sich Reiche stärker beteiligen als Arme, eben weil sie dies vermögen. Darum zahlen sie einen höheren Steuersatz, Unternehmen führen zudem Sozialbeiträge ab. Der Sozialstaat verteilt also nicht von jung zu alt, sondern von oben nach unten um. Bei der Rente ist die Umverteilung relativ schwach: Beschäftigte mit höherem Einkommen erhalten später auch eine höhere Rente.
Durch die von Heil geplante Grundrente wäre die Umverteilung etwas stärker. Denn sie soll über Steuern finanziert werden, und rund 80 Prozent der Steuereinnahmen stammten von der wohlhabenderen Hälfte der Haushalte, ergab vor einiger Zeit eine DIW-Studie. Dass »die Jungen« die Grundrente zahlen müssen, wie Raffelhüschen behauptet, trifft die Sache also nicht. Die Wohlhabenden zahlen für die Ärmeren.
Es stimmt auch nicht, dass »die Alten ein Geschenk kriegen«. Erstens ist die Grundrente an harte Bedingungen geknüpft: Die Menschen müssen mindestens 35 Jahre für wenig Geld gearbeitet, Kinder großgezogen oder Angehörige gepflegt haben. Zweitens würden längst nicht alle Alten profitieren, Besserverdiener hätten nichts davon.
Rente II: Demografie? Da war doch noch was!
Die schwarz-rote Koalition hat beschlossen, das Rentenniveau bis 2025 bei 48 Prozent stabil zu halten. Doch langfristig wird es nicht bei diesem Niveau bleiben, heißt es. »Das ist einfach eine demografische mathematische Notwendigkeit«, sagte der Volkswirt Christian Hagist bereits im vorigen Sommer. Er ist Inhaber eines Lehrstuhls an der Wirtschaftshochschule WHU, den der Verband »Die Familienunternehmer« gestiftet hat. Ifo-Chef Clemens Fuest stimmt ihm zu: »Man muss beim Rentenniveau realistisch sein. Es wird sinken müssen.«
Das Demografie-Argument ist der Klassiker in der Rentendebatte: Es gibt immer weniger Junge, die immer mehr Alte finanzieren müssen – mit dieser Begründung wurden massive Renteneinsparungen durchgesetzt und werden weitere gefordert. Die »mathematische« Demografieformel ist allerdings unvollständig. Es fehlt zum Beispiel der Parameter Produktivität: Heute produziert ein Beschäftigter viel mehr pro Tag als ein Arbeiter vor 20 oder 40 Jahren. Mit dem materiellen Wohlstand, den 100 Beschäftigte heute jährlich herstellen, können mehr Renten finanziert werden als früher. Die Alterung ist also per se kein Problem, denn es kommt darauf an, wie viel die »Jungen« produzieren.
Und sie produzieren immer mehr. Insgesamt ist der Wohlstand in der Bundesrepublik stark gestiegen. Die gesellschaftliche Frage ist, wie er verteilt wird – nicht zwischen Alten und Jungen, sondern zwischen Unternehmen und Beschäftigten, Kindern und Erwachsenen ohne Erwerbsarbeit.
Darum bedeuten steigende Rentenbeiträge auch nicht unbedingt, dass Beschäftigte weniger Geld zur Verfügung haben. Heute sind die Rentenbeiträge höher als in den 1960er Jahren, trotzdem haben die Beschäftigten im Schnitt höhere Nettolöhne, weil der Wohlstand und die Gehälter stärker gestiegen sind als die Rentenbeiträge.
Die Beitragszahler dürfen nicht zu stark belastet werden – mit diesem Argument hat die rot-grüne Koalition 2001 eine große Rentenreform begründet. Sie beschloss, die Rentenbeiträge relativ stabil zu halten und das Rentenniveau nach und nach zu senken. Wenn Menschen nach der Erwerbstätigkeit ihren Lebensstandard trotzdem halten wollen, müssen sie privat vorsorgen, so die politische Vorgabe. Darum wurde die Riesterrente eingeführt.
Tatsächlich sind die Rentenbeiträge, die Unternehmen und Beschäftigte je zur Hälfte zahlen, seither sogar leicht gesunken. Eindeutig genützt hat dies den Unternehmen. Sie sparen Sozialbeiträge. Die Arbeitnehmer wiederum müssen zusätzlich zum Rentenbeitrag weiteres Geld fürs Alter zurücklegen, wenn sie auf das frühere Rentenniveau kommen wollen. Dabei sollten sie angeblich entlastet werden. So ist mit dem Demografieargument eine Reform zulasten der Beschäftigten und späteren Rentner durchgesetzt worden.
Löhne: »Privilegien« der Beschäftigten
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat im Dezember angekündigt, den Mindestlohn anzuheben. Leidtragende, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest, seien die jungen Franzosen: »In Frankreich ist der Mindestlohn bereits so hoch, dass er die Beschäftigung der schwächeren Gruppen am Arbeitsmarkt verringert, vor allem die der Jugendlichen. Die Arbeitsplatzinhaber werden profitieren, die Jugendlichen und schlecht Ausgebildeten, die heute arbeitslos sind, werden aber noch schlechtere Chancen haben.« In diesem Fall sollen es die Geringverdiener sein, die die Jungen ausbeuten, weil der höhere Mindestlohn ihre Einstellung für die Unternehmen unattraktiv macht.
Abgesehen davon, dass Frankreichs Unternehmen über Ausnahmeregeln Jugendliche auch unterhalb des Mindestlohns bezahlen dürfen; und abgesehen davon, dass auch in Deutschland der Mindestlohn entgegen den Warnungen vieler »Top-Ökonomen« die Schaffung neuer Jobs nicht verhindert hat – es ist schon eine eigenartige Perspektive zu behaupten, die Geringverdiener verhinderten über einen höheren Mindestlohn die Einstellung der Jungen. Wenn Jugendliche arbeitslos bleiben, läge die Schuld ja eher bei den wahren »Inhabern« der Arbeitsplätze – nämlich bei den Unternehmen, denen der Mindestlohn noch zu hoch ist.
Das Problem für Jugendliche liegt in Frankreich woanders, sagt der Sozialwissenschaftler Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation: In Frankreich existierten fast nur schulische Berufsausbildungen und kaum betriebliche Lehrstellen. Firmen wollten sich nicht an den Ausbildungskosten beteiligen. Sie betrachteten – ebenso wie Gewerkschaften – die Ausbildung nicht als ihre Angelegenheit.
Auch in Deutschland wurde vor einigen Jahren behauptet, die »Privilegien« der »Arbeitsplatzbesitzer« (also der Arbeitnehmer) und die gute Versorgung der Arbeitslosen würden Arbeitssuchenden den Zugang zu Jobs versperren. In der Folge kürzte die Politik das Arbeitslosengeld und erhöhte den Druck auf Jobsuchende, auch schlecht bezahlte Stellen anzunehmen. Mit Erfolg: Die Nettogehälter von Geringverdienern sanken drastisch – und damit die Arbeitskosten von Unternehmen. Die Arbeit wurde flexibilisiert, Leiharbeit ausgebaut und so ein Teil des unternehmerischen Risikos auf Beschäftigte überwälzt, für die Flexibilisierung ständige Unsicherheit bedeutet.
Immobilien: Jung und ohne Eigenheim
»Der Immobilienboom schadet vor allem den Jüngeren«, meldet das »Handelsblatt«. Während die Alten von den steigenden Preisen ihrer Häuser profitieren und reicher werden, können sich junge Menschen kein Eigenheim mehr leisten, oder sie müssen sich dafür stark verschulden. Das treibt die Ungleichheit in die Höhe – auch die zwischen den Generationen. Laut Bundesbank verfügen Eigentümerhaushalte im Durchschnitt über 277.000 Euro, Mieterhaushalte dagegen über nur rund 10.000 Euro.
Zu diesem »Generationenkonflikt« nur zwei Anmerkungen: Erstens erben die Kinder der Eigentümer ja die Immobilien, sie profitieren also nur zeitversetzt.
Zweitens ist es schon eine sehr verzerrte Wahrnehmung der Realität, wenn man die relative Armut der Jungen dem wachsenden Reichtum der Alten ankreidet und nicht den Renditeansprüchen der Investoren und ihrer Immobilienspekulation, die »die Alten« weder bestellt haben noch aktiv betreiben.
Klima: Ressourcenverbrauch mit System
Das herrschende Wirtschaftssystem beruht auf einem extensiven Verbrauch von Natur: Begrenzt vorhandene Rohstoffe werden aus dem Boden geholt und verarbeitet. Die dabei entstehenden Schadstoffe werden kostengünstig an die Umwelt abgegeben. Ein Ergebnis ist der Klimawandel, der sich auch als Generationenkonflikt interpretieren lässt: »Wir haben die Erde nur von unseren Kindern geliehen«, lautet ein alter Spruch, gemäß dessen Logik die Alten heute die natürlichen Ressourcen verprassen – auf Kosten der Jungen und ihrer Zukunft. So scheint es folgrichtig, dass es Schüler sind, die an den Fridays for Future für den Klimaschutz demonstrieren. Aber wer sind ihre Gegner? Ihre Eltern?
Zunächst ist die Problemdefinition korrekt: Naturverbrauch heute hat global desaströse Auswirkungen in ferner, aber nicht allzu ferner Zukunft. Die unterstellte Problemursache jedoch ist fraglich: eine Generation, die sich schlicht nicht um den Zustand der Natur kümmert, weil sie die Schäden nicht zu tragen hat, sondern bloß ihre Kinder. Laut ökonomischem Modell des »begrenzten Zeithorizonts nutzenmaximierender Individuen« ist solch ein Denken logisch. Aber es möge sich jeder und jede selbst fragen, ob er oder sie sich in diesem Modell wiederfindet.
»Klimawandel als Generationenkonflikt« unterstellt zudem, dass das individuelle Verhalten jedes Einzelnen den Klimawandel aufhalten kann. Das ist nicht ganz korrekt. Zwar könnten wir alle besser heizen und weniger fliegen. Als Konsumenten haben wir jedoch nur begrenzten Einfluss auf die Art und Weise, wie die Dinge produziert werden. Das ist keine Frage des Alters, sondern des Systems.
Dieses System braucht erstens permanentes Wachstum – würden »die Alten« heute tatsächlich ihre Konsumausgaben zum Wohle des Klimas drastisch reduzieren, wäre eine Krise sicher. Zweitens beruht dieses System auf der betriebswirtschaftlichen Kalkulation mit Kosten und Erträgen. Internationale Vereinbarungen zum Klimaschutz scheitern daher nicht an der Engstirnigkeit »der Alten«, sondern daran, dass der Schutz des Klimas meist Kosten für die Unternehmen verursacht – zum Beispiel teurere Energie – und damit der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes schadet. In internationalen Verträgen wird daher versucht, diese Mehrkosten so zu verteilen, dass die eigene Wirtschaft keinen Schaden davonträgt. Dieser Kampf führt bislang dazu, dass der Klimaschutz stets hinter dem zurückbleibt, was nötig wäre.
Die Logik der Kapitalrendite widerspricht also dem Umweltschutz. Dass alle Parteien versprechen, Ökologie und Ökonomie zu »versöhnen«, negiert diesen Widerspruch nicht, sondern unterstellt ihn: Versöhnt muss nur werden, was im Streit liegt. Im Streit liegen aber nicht Alte und Junge, sondern das betriebswirtschaftliche Kalkül an geringen Kosten und hoher Rendite mit den Notwendigkeiten der Natur. Ob beides »versöhnt« werden kann, ist offen. Wenn Änderungen innerhalb des Systems nicht möglich sind, sagt Greta Thunberg, muss man eben das System ändern. Genau umgekehrt sieht es Peter Altmaier (CDU): »Klimaschutz wird nur funktionieren, wenn dadurch unser Wohlstand nicht gefährdet wird«, sagt der für die deutsche Wirtschaft zuständige Minister.
Schulden: Morgen kommt die Rechnung
Ein Generationenkonflikt soll sich auch auftun, wenn der Staat Schulden macht. So heißt es. Denn per Schuldenaufnahme kann heute Geld zwar ausgegeben werden, aber die Rechnung kommt: »Wir leben auf Kosten unserer Enkel und Urenkel, denn die müssen das alles bezahlen«, so formulierte es einst Sigmar Gabriel von der SPD. Doch das Bild ist schief.
Erstens sind die Staatsschulden vor allem in der vergangenen Krise gestiegen. Sicher, man hätte mitten in der Krise sparen können, so wie Griechenland. Aber damit hätten wir unseren Enkeln auch eine 20 Prozent geringere Wirtschaftsleistung hinterlassen. Zweitens: Wenn mit dem geborgten Geld Straßen, Schulen, Brücken und 5G-Netze gebaut werden, dann »erben« unsere Enkel nicht nur die Schulden, sondern auch die Infrastruktur.
Drittens ist die Erzählung von den vererbten Schulden einseitig. Man stelle sich vor, Frau A leiht Herrn B 100 Euro. Herr B hat damit eine Schuld, Frau A eine Forderung. Wenn beide sterben, erben ihre Kinder nicht nur die Schuld, sondern auch die Forderung. Das gleiche geschieht bei Staatsschulden: Der Staat leiht sich Geld und gibt dafür Anleihen – Schuldscheine – heraus. Diese Anleihen sind ein Anrecht auf Rückzahlung plus Zins, also ein Vermögenstitel, eine Ersparnis. Unsere Enkel erben daher nicht nur alle staatlichen Schulden, sondern auch alle in Staatsanleihen bestehenden Privatvermögen.
Das gesamte Privatvermögen in Deutschland ist dreimal so groß wie die staatlichen Schulden. Die eigentliche Frage lautet daher: Wer hat die Vermögen und wer die Schulden? Während die staatlichen Schulden auf alle verteilt werden, ist der Reichtum sehr konzentriert: Den reichsten zehn Prozent der Haushalte gehören in Deutschland 60 Prozent des gesamten Vermögens. Der reale Gegensatz besteht also nicht zwischen Alten und Jungen, sondern zwischen Schuldnern und Gläubigern beziehungsweise zwischen arm und reich. Wenn unsere Enkel dereinst mal überschuldet sind, sollten sie nicht auf ihre Vorfahren schimpfen, sondern schauen, in wessen Händen der Reichtum liegt.
Sparsamkeit: Schlaglöcher der Zukunft
»Der Staat spart sich kaputt – für die alten Wähler«, schimpft die »Welt« mit Verweis auf eine Untersuchung des Instituts RWI. Nur um die Wünsche der Rentner zu erfüllen, geize der Staat mit Investitionen in die Zukunft. Das Ergebnis: Riesige Schlaglöcher, gesperrte Brücken, marode Schulen. Laut diesem Argument führen die Ausgaben für die »Alten« zu einem Geldmangel beim Staat: Er hat für die Zukunft und die Jungen schlicht nichts mehr übrig. Aber ist das so?
Eher nicht, der Reichtum ist ja da, er liegt bloß in privater Hand. Der Staat könnte sich das Geld besorgen, zum Beispiel über höhere Steuern: Vermögensteuer, Finanztransaktionssteuer, Kapitalertragsteuer, das wären einige Ideen. Oder über höhere Erbschaftsteuern – die würden erstens nur die Reichsten treffen und wären zweitens sachgerecht, weil dadurch zwar das Erbe der (reichen) Kinder geschmälert, aber gleichzeitig für ihre Zukunft vorgesorgt würde. Doch statt Steuererhöhungen sind derzeit eher Steuersenkungen für Wohlhabende und Unternehmen im Gespräch. Der Staat schont also den Reichtum – nicht »die Alten«.
Statt Steuern zu erhöhen, könnte der Staat zum Schulen- und Straßenbau auch Kredite aufnehmen. Das ist derzeit billig und kostet fast keinen Zins. Institutionen wie der Internationale Währungsfonds drängen den Bund seit Langem, mehr Schulden zu machen und in die Infrastruktur zu investieren. Denn deren Rendite liegt weit über dem Zins für Kredite: eine gute Investition. Doch bleibt diese Forderung bislang ungehört, die Bundesregierung setzt auf Sparsamkeit und Schuldenbremse. Das ergibt volkswirtschaftlich keinen Sinn – und sorgt auch nicht für mehr Generationengerechtigkeit (siehe Schulden).
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