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Die Rückkehr der Malocher
Im Gegensatz zum DFB freut Christoph Ruf der Aufstieg des Arbeiter-Traditionsvereins Waldhof Mannheim in die 3. Liga
Der SV Waldhof Mannheim hat sich am Wochenende selbst übertroffen. 14 413 Zuschauer kamen zu seinem Heimspiel gegen Wormatia Worms. Das ist ein neuer Rekord in der Regionalliga Südwest. Der alte (14 326) wurde sechs Wochen zuvor gegen Saarbrücken aufgestellt. Ebenfalls in Mannheim.
Der SVW ist das, was man einen Traditionsverein nennt. Und im Gegensatz zu manchem Konkurrenten bezieht sich diese Feststellung nicht nur auf das lang zurückliegende Gründungsdatum (1907). Der Waldhof kommt aus dem gleichnamigen Stadtteil, wie damals noch immer ein Malocherkiez, den man heute im cleanen Soziologen-Slang vielleicht »prekär« nennen würde. 1907 hatten allerdings noch nicht jene Menschen die Deutungshoheit, deren Studium von den Eltern finanziert wurde. Also niemand, der glaubte, mit Sternchen in der Schrift und neuen Toiletteneinteilungen für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit sorgen könne.
Wer aus Mannheim-Waldhof kam, wusste dreierlei. Dass er es ein Leben lang nicht leicht haben würde. Dass er seine Interessen am besten selbst vertritt. Und dass er beim SV Waldhof fußballerisch besser aufgehoben sein würde als beim VfR Mannheim, der als Verein der Honoratioren und Lackschuhträger galt. Als der in Waldhof geborene spätere Bundestrainer Sepp Herberger 1922 vom SVW zum VfR wechselte, galt das im Stadtteil als mindestens so großer Verrat wie wenn der kommunistische Nachbar in die Zentrumspartei eingetreten wäre.
An diesem Samstag sah man im Stadion nun einige alte Menschen, sehr viele aus der Generation 40plus, die die Erst- und Zweitligazeiten des Vereins miterlebt haben dürften; aber eben auch Tausende Unter-20-Jährige, die bisher nur Spiele gegen Vereine wie die Spielvereinigung Neckarelz und den FC Homburg gesehen haben können. Sie gehen zum Waldhof, weil der Vereine eine Aura hat, eine Geschichte, etwas, das verbindet. Man sollte über Anhänger von RB Leipzig nicht so oft meckern, sie sollten einem vielmehr leidtun.
Nicht jeder der 14 413 Zuschauer, die am Samstag den Aufstieg feierten, mag die Details der Vereinsgeschichte parat haben, in Grundzügen kennen sie aber die meisten. Wer sie vergessen hat, braucht nur zu fragen, nach welchen Persönlichkeiten die Otto-Siffling- und die Walter-Spagerer- Tribüne benannt sind. Siffling war ein Waldhöfer Nationalspieler und NS-Gegner, Spagerer ein aufrechter Sozialdemokrat aus dem Stadtteil - und Vereinsmitglied von 1928 bis zu seinem Tod im Jahr 2016.
Dass politisch engagierte Fans vor einigen Jahren wieder an den 1939 an einer Rippenfellentzündung gestorbenen Siffling erinnerten, hat übrigens einen wertvollen Beitrag dazu geleistet, dass rechte Hooligans (die es auch heute noch gibt) längst nicht mehr das Klima im Stadion bestimmen. Zum einen, weil die Ultras mehrheitlich auch in Mannheim anders ticken als die Altvorderen. Zweitens, weil heute Tausende Menschen zum Waldhof gehen, deren Großeltern aus anderen Ländern stammten. Und zum Dritten, weil viele Rechte anhand von Otto Siffling zum ersten Mal mitbekommen haben, dass eine proletarische Herkunft und die Opposition zum Zeitgeist auch nach links führen können.
Auf die Siffling-Tribüne durften die Fans am schönsten Tag der jüngeren Vereinsgeschichte allerdings nicht. Der Block blieb auf Geheiß des DFB gesperrt. Aus Sicherheitsgründen angeblich, was ein wenig lächerlich klingt, wenn man weiß, dass sowohl die Mannheimer Polizei als auch die Stadt Mannheim die Öffnung der Tribüne empfohlen hatten. Doch die hatte der DFB schließen lassen, nachdem im vergangenen Jahr vermeintliche Waldhof-Fans in der Relegation einen Spielabbruch provoziert hatten. Erstmals in der Geschichte des deutschen Fußballs waren daraufhin einem Verein wegen des Fehlverhaltens seiner Anhänger drei Punkte abgezogen worden, dagegen hatte der Verein Rechtsmittel eingelegt. Mitte März schließlich gab das Frankfurter Landgericht dem Viertligisten Recht, doch der DFB hat Revision eingelegt.
Unter den 14 413 Fans vom Samstag dürfte es nicht einen geben, der in der Tribünensperrung etwas anderes sah als den letzten Racheakt eines Verbandes, der juristisch Schiffbruch erlitten hat. Man kann dem DFB nur wünschen, dass sich seine Funktionäre öfter mal an der Basis zeigen. Am Samstag rief jedenfalls mal wieder ein ganzes Stadion »Scheiß DFB«. Das wäre leicht zu verhindern gewesen. Es hätte genügt, auf die Polizei zu hören.
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