Anschluss statt Vereinigung

Zum Beitritt der DDR nach Artikel 23 des Grundgesetzes hätte es Alternativen gegeben, sagt Daniela Dahn

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Anlässlich des 70. Geburtstages des Grundgesetzes hat Daniela Dahn konstatiert, der übereilte Anschluss der DDR an die Bundesrepublik nach dem damaligen Artikel 23 des Grundgesetzes behindere das Zusammenwachsen bis heute. Dass die Ostdeutschen bei der Volkskammerwahl im März 1990 mehrheitlich konservativ und damit für eine schnelle Vereinigung votierten, führt sie auch auf »aus politischen Gründen« verbreitete »Bankrottgerüchte« zurück.

»So war es damals für alle schwer, sich ein realistisches Bild von der Lage zu machen«, sagte Dahn im Gespräch mit »neues deutschland«. Die nahezu komplette Besetzung der Leitungsposten in Behörden und Institutionen mit Westdeutschen sei aber trotz dieser Form der Staatenfusion keineswegs zwingend gewesen, betonte die Autorin.

Die Schriftstellerin und Essayistin, die bereits seit Anfang der 1980er Jahre in der DDR regimekritische Essays veröffentlichte, war 1989 Mitgründerin der Oppositionsgruppe »Demokratischer Aufbruch«. Zur mittlerweile auch von Politikern von SPD und CDU geäußerte Kritik am Vorgehen der Treuhandanstalt beim Verkauf der volkseigenen Betriebe der DDR und der nach fehlenden Repräsentanz der Ostdeutschen in Verwaltung und Wirtschaft sagte Dahn, die Einsichten kämen zu spät: »Die Narben sind da und lassen sich durch nachholenden Respekt nun nicht mehr retuschieren.«

Die Publizistin wandte sich zugleich gegen Forderungen, den Artikel 15 GG, der die Vergesellschaftung von Produktionsmitteln und Boden ermöglicht, zu streichen, und die soziale Marktwirtschaft im Grundgesetz festzuschreiben. »Der Begriff ‚soziale Marktwirtschaft‘ ist viel zu unklar definiert, als dass er Verfassungsrang verdienen würde«, sagte Dahn »nd« und fügte hinzu: »Wir haben in den letzten 30 Jahren erlebt, wie schwach soziale Besitzstände gegenüber dem Eigentumsfundamentalismus juristisch gesichert sind.« Dahn weiter: »Aus dem Grundgesetz spricht im Kern eine historische Weisheit, hinter die man nicht zurückfallen sollte.« nd

Das komplette Interview mit Daniela Dahn lesen Sie in der Donnerstagsausgabe von »neues deutschland«.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.