Keine Putz-Pauschale

Mundpflege sollte gut auf den Patienten abgestimmt sein, empfiehlt der Zahnmediziner Elmar Hellwig

  • Angela Stoll
  • Lesedauer: 5 Min.

In aller Kürze: Was ist das Wichtigste bei der Mundpflege?

Man sollte zweimal täglich gründlich die Zähne putzen und zwar mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta. Abends ist eine sorgfältige Reinigung besonders wichtig.

Elmar Hellwig

Zu einer sorgfältigen Mundpflege gehört mehr als nur ein minimales Zähneputz-Programm nach dem Motto: einmal kurz schrubben, spucken, spülen. Dennoch gibt es zu dem Thema nur wenige allgemeingültige Aussagen. Der Zahnmediziner und Prophylaxe-Experte Elmar Hellwig von der Universitätsklinik Freiburg erklärt, warum er Patienten ganz unterschiedliche Tipps gibt. Angela Stoll sprach mit ihm.

Früher hat man gesagt: Nach jeder Mahlzeit Zähne putzen! Warum ist man von dieser Empfehlung abgerückt?

Weil sie unrealistisch ist. Viele Menschen haben am Arbeitsplatz ja gar nicht die Möglichkeit, gleich die Zähne zu putzen. Und mit unrealistischen Forderungen erreicht man nur das Gegenteil von dem, was man möchte. Außerdem braucht der Biofilm auf den Zähnen, der Karies verursacht, längere Zeit, um zu reifen.

Kann übertriebene Pflege auch dazu führen, dass man den Zahnschmelz wegschrubbt?

Der Zahnschmelz ist die härteste Substanz des ganzen Körpers. Die schrubben Sie so schnell nicht weg, wenn Sie eine normale Zahnpasta verwenden. Allerdings muss man vorsichtig sein, wenn man sehr oft Obst und saure Getränke konsumiert. Bei ständigem Säurekontakt kann es sein, dass die Zahnoberfläche angelöst und dann weggeputzt wird. Patienten, die schon Erosionen, also Mulden, in der Zahnoberfläche haben, sollten deshalb vor dem Essen die Zähne putzen. Aber nur sie.

Es gibt ein immenses Angebot an Zahnpflegeprodukten. Allein bei den Bürsten stellt sich die Frage: Elektrisch oder nicht? Weiche oder harte Borsten? Welcher Kopf? Was ist wirklich wichtig?

Wichtig ist, dass der Patient mit der Bürste gut zurecht kommt. Und das ist individuell sehr unterschiedlich. Deshalb ist es hilfreich, wenn er seine Bürste mit in die Praxis bringt und dort geschaut wird, wie er damit umgeht und wie viel Biofilm beseitigt wird. Grundsätzlich gilt: Elektrische Zahnbürsten entfernen etwas mehr Plaque als Handzahnbürsten. Mit Handzahnbürsten braucht man ein bisschen länger, um das gleiche Ergebnis zu erreichen. Zum Härtegrad gibt es ganz unterschiedliche Meinungen. Im Allgemeinen empfehle ich mittelharte Zahnbürsten. Es kommt aber immer auf den Druck an, mit dem Patienten putzen, und der ist sehr unterschiedlich.

Wie oft muss man die Bürste wechseln?

Man sollte sie spätestens dann austauschen, wenn sich die Borsten umbiegen. Das ist oft nach etwa acht Wochen der Fall. Es gibt aber auch Patienten, die wesentlich länger mit einer Bürste putzen können, ohne dass sie sich verändert.

Stimmt es, dass man die Zahnbürste nach jeder Erkältung austauschen sollte?

Ich kenne keine Untersuchung, die nachweist, dass man sich sonst wieder erkältet. Das ist wohl eher ein Mythos.

Muss man regelmäßig Zahnseide oder Zwischenraumbürstchen benutzen?

Ja. Zum einen dient es der Kosmetik, Speisereste aus den Zahnzwischenräumen zu entfernen. Zum anderen können Zahnfleischerkrankungen entstehen, wenn Bakterien in den Zahnzwischenräumen bleiben. Deshalb sollte man diese Bereiche auf jeden Fall pflegen.

Bei den Zahnpasten ist das Angebot ebenfalls verwirrend groß. Muss es die teure Markencreme sein oder tut es auch das billige No-Name-Produkt?

Was die Kariesprophylaxe betrifft, so kommt es nur darauf an, dass Fluorid in ausreichender Konzentration enthalten ist. Ansonsten sollte die Creme keine schädlichen Stoffe enthalten, aber das ist bei den gängigen Produkten ohnehin nicht der Fall. Daher kann man durchaus auch ein günstiges Produkt aus dem Discounter empfehlen. Einen direkten Vergleich der Zahnpasten hat es in den letzten zehn, fünfzehn Jahren nicht gegeben. Und das ist ein Problem. Manche Dinge werden nur aus dem Bauch heraus empfohlen.

Gehört auch die Zungenreinigung zum Standard bei der Mundpflege?

Eigentlich schon. Vor allem Patienten, die Parodontitis oder Mundgeruch haben, sollten täglich einen Zungenschaber benutzen. Bei Mundgeruch sitzen auf der Zunge nämlich vermehrt Bakterien, die übelriechende Substanzen produzieren.

Empfehlen Sie Mundwasser?

Es kommt darauf an, um was es sich dabei handelt. Mundspüllösungen, die Fluorid enthalten, tragen zum Schutz vor Karies bei. Sie sind zum Beispiel bei festsitzenden Zahnspangen sinnvoll oder dann, wenn Patienten ihre Zähne, etwa wegen Behinderungen, nicht richtig putzen können. Lösungen, die Chlorhexidin enthalten, sollte man aber nur nach Rücksprache mit dem Zahnarzt nehmen. Diese Mittel sind etwa für Patienten mit Parodontitis oder Mundgeruch gedacht. Wenn man solche Produkte mehrere Wochen verwendet, kann das den Geschmackssinn beeinträchtigen und möglicherweise auch die Schleimhäute schädigen.

Ist eine professionelle Zahnreinigung aus Ihrer Sicht für alle sinnvoll?

Das kommt drauf an. Es gibt Patienten, die sie nicht brauchen. Nämlich solche, die gesund sind, eine sehr gute Mundhygiene und keinen Zahnstein haben. Andere sind aber nicht in der Lage, ihre Zähne gut zu pflegen, oder sind starke Zahnsteinbildner. Bei ihnen ist die professionelle Zahnreinigung sinnvoll. Wie oft sie nötig ist, ist ebenfalls unterschiedlich. Ich habe Patienten, die brauchen sie nur alle zwei Jahre. Andere brauchen sie gar nicht und wieder andere alle drei Monate. Hauptsächlich dient sie dazu, Zahnfleischentzündungen und Zahnbetterkrankungen zu vermeiden.

Studien, die das belegen, gibt es aber offenbar nicht.

Das stimmt. Man neigt immer dazu anzunehmen, dass etwas nicht funktioniert, wenn es keine Studien dazu gibt. Aber: In der Nachsorge von Parodontalerkrankungen brauchen Sie die professionelle Zahnreinigung. Sonst haben Sie irgendwann wieder die gleiche Situation wie vor der Behandlung. Und das ist tatsächlich erwiesen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -