• Politik
  • Antimuslimischer Rassismus

Täglich grüßt der Schweinekopf

Erneut antimuslimische Attacken in Kassel, Dresden und Bremen

  • Fabian Goldmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Handyvideo aus dem Inneren der Bremer Rahma-Moschee verbreitete sich in Windeseile in Onlinemedien. Dutzende zerstörte Bücher waren zu sehen. Berge aus zerrissenen Seiten der Koran-Exemplare der Moschee. Das heilige Buch der Muslime - zerknüllt und geschändet in einer Toilette. Rund 50 Koran-Ausgaben sollen unbekannte Täter am Pfingstsamstag in der Moschee in der Bremer Innenstadt zerstört haben. Die Bilder aus dem Handyvideo schafften es schnell auch in klassische Medien.

Die Bremer CDU verurteilte die Tat als »niederträchtig«. Der Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sprach von einer »neuen Dimension der Perversion«. Er rief Politik und Öffentlichkeit dazu auf, die Tat »laut und deutlich« zu verurteilen. Bislang werde darüber, anders als in internationalen Medien, hierzulande kaum darüber berichtet. Mazyek forderte einen Beauftragten gegen Muslimfeindlichkeit und Polizeischutz für Moscheen.

In Bremen war erst zehn Tage zuvor ein Jugendlicher bei einem Angriff in einer Straßenbahn schwer verletzt worden. Ein 27-jähriger Mann hatte dem Jugendlichen ein Messer in den Hals gestochen, nachdem er ihn und einen Begleiter islamfeindlich beleidigt hatte.

Übergriffe auf Moscheen sind in Deutschland längst trauriger Alltag. Ebenfalls am Pfingstwochenende wurden in Kassel und Dresden die Scheiben muslimischer Gotteshäuser eingeworfen. Vergangene Woche landeten ein Schweinekopf und literweise Blut vor einer Moschee in Mönchengladbach. Einige Tage zuvor hatte ein Unbekannter Müllcontainer vor einer Moschee im nordrhein-westfälischen Hagen in Brand. »Praktisch täglich« seien Muslime Angriffen ausgesetzt, erklärte der Bremer Islamverband »Schura« nach dem Angriff auf die Rahma-Moschee.

Langfristige Statistiken zu Angriffen auf Moscheen gibt es bislang nicht. Erst seit 2017 und nach Jahren der Kritik durch Opferinitiativen und muslimische Verbände werden islamfeindliche Straftaten von Behörden gesondert erfasst. 813 antimuslimische Angriffe hat das Bundesinnenministerium 2018 gezählt. 123 seien es im ersten Quartal 2019 gewesen, antwortete die Bundesregierung vergangene Woche auf eine Anfrage von Ulla Jelpke (LINKE). Das sei deutlich weniger als noch im Vorjahreszeitraum mit 196 Fällen.

Islamische Interessenvertreter bezweifeln allerdings die Aussagekraft der Statistik: Viele Vorfälle würden aufgrund unklarer Definitionen gar nicht erst erfasst. Dazu kommt: Viele Vorfälle rangieren unterhalb der Strafbarkeitsschwelle. Anfang Mai entdeckten Besucher einer Moschee in Berlin-Neukölln eine Gewehrkugel. Der Vorsitzende der Gemeinde, Ali Şenel, erklärte daraufhin, dass zuvor fast wöchentlich Drohschreiben eingegangen seien, ohne dass die Polizei darauf reagiert habe.

Bei Erfurt ruht seit drei Monaten der Neubau einer Moschee, weil daran beteiligte Firmen Sorge vor Anschlägen auf ihre Baumaschinen haben. Auch an der Baustelle wurden bereits Schweineköpfe platziert, im Netz wurde mit Gewalt gedroht.

Einen Grund, warum Dunkelziffer und offizielle Zahlen so weit auseinanderklaffen, sehen islamische Verbände auch in der geringen Anzeigebereitschaft, die aus schlechten Erfahrungen resultiert. Denn meist erhalten Opfer antimuslimischer Gewalt schon nach wenigen Wochen eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft, dass die Ermittlungen eingestellt wurden.

Im Fall der Bremer Rahma-Moschee hat mittlerweile der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen. Dass es zu einer Verurteilung kommt, ist zumindest statistisch unwahrscheinlich. Den 123 offiziell erfassten islamfeindlichen Straftaten in den ersten drei Monaten dieses Jahres steht keine einzige Verhaftung, geschweige denn Verurteilung gegenüber.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -