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Migrationsfakten zur Abkühlung
Rosa-Luxemburg-Stiftung gibt Atlas über »Menschen in Bewegung« heraus
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung stiftet mit dem am Dienstag in Berlin vorgestellten »Atlas der Migration - Daten und Fakten über Menschen in Bewegung« eine fundierte Handreichung für Interessierte wie für die allgemeine gesellschaftliche Debatte. Sie tut das durchaus engagiert, denn Zahlen sind immer auch interpretierbar, wie Geschäftsführer Florian Weis feststellt. Doch die 20 dargelegten Aspekte samt Grafik- und Kartenmaterial liefern ein Gesamtbild, das den Schluss nahelegt: Alle Aufregung über Migration ist verfehlt und letztlich unbegründet. Differenzierung und ein menschenrechtlicher Ansatz sollen eine erhitzte Debatte abkühlen helfen, die insbesondere von der Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015 ausging, wie Florian Weis sagt.
Unter dem Eindruck der Bilder aus diesen Monaten wuchs der Eindruck einer Flüchtlingskrise; Menschen wurden als Welle oder Flut beschrieben - eine Sicht, die sich letztlich in der Regierungspolitik durchgesetzt hat, die auf Polarisierung zielt oder diese wenigstens in Kauf nimmt. Den Blick auf Migration sowie ihre Akteure verändern zu wollen, ist mithin ehrgeizig. Zumal Probleme auszuklammern auch keine Lösung ist. In der gesellschaftlichen Linken ist das Thema bekanntlich auch umstritten.
So scheint die Auseinandersetzung gerade mit dem Argument, die Anwerbung von Fachleuten aus Ländern des unterentwickelten Afrika trage zu dessen intellektuellem und wirtschaftlichem Ausbluten bei, stellenweise die Feder zu führen. Geldüberweisungen der Migranten an ihre Familien zu Hause trügen zur Armutsbekämpfung und zur Entwicklung der heimatlichen Wirtschaft bei, seien also wünschenswert. Gerade in den am wenigsten entwickelten Ländern schrumpfe die Armutslücke (unterhalb der Armutsgrenze) um etwa 3,5 Prozent, wenn die Rücküberweisungen um ein Zehntel stiegen. »Migration und Entwicklung gehören deshalb zusammen. Geregelte und zirkuläre Migration - bei der die Menschen nach einer gewissen Zeit zurückkehren - ist eine Win-win-Option für Herkunfts- und Zielländer. Es wäre Zeit für alarmistische Töne, wenn diese Migration ausbliebe.«
Johanna Bussemer, Leiterin des Europareferats der Rosa-Luxemburg-Stiftung, gehört zu den Herausgebern der Studie. Sie räumt ein, dass bei allem Anspruch auf parteiunabhängige Intentionen ihrer wissenschaftlichen Arbeit ein produktiver Einfluss auf die innerlinke Debatte durchaus zu ihren Anliegen gehört. Denn diese lief ja in der Vergangenheit »nicht so konstruktiv«. Doch die gesellschaftliche Debatte über Einwanderung, über Dumpinglöhne für Einwanderer oder Braindrain geht über die Linke natürlich weit hinaus. Und sie wird mit der Studie nicht enden. Die Herausgeber hoffen deshalb auf Interesse von Schulen und anderen Institutionen.
Der »Migrationsatlas« liegt dem nd-dieWoche am 22.06.2019 bei - Erhältlich im Bahnhofsbuchhandel und am Kiosk.
Einwanderern aus den genannten Gründen das Kommen zu verbieten, sei auch keine Lösung, wie Florian Weis anmerkt. Angeführt wird dazu in der Studie, dass Gesundheitskassen wie Rentenversicherung letztlich von der Zuwanderung profitieren, auch wenn zunächst viele von Sozialleistungen abhängig sind - allein aus demografischen Gründen. Auch dies ist der Studie zu entnehmen: Je hitziger die Debatte, desto paradoxer. Denn Deutschland nimmt - gemessen an der Bevölkerungszahl - relativ wenige Flüchtlinge auf (Grafik). An der Wirtschaftsleistung gemessen, leben die meisten Flüchtlinge in Südsudan, Uganda, Tschad und Niger, wie der Atlas aufführt. Länder, die die Geflüchteten nicht versorgen können.
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