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Kontinuität in Kiew
Präsident Wolodymyr Selenksyj fordert in Berlin eine Ausweitung der Russland-Sanktionen und bekräftigt Westkurs
Mit militärischen Ehren empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel Wolodymyr Selenskyj zu seinem ersten Staatsbesuch in Berlin. Der neugewählte ukrainische Präsident ist auf Europatour. Nachdem er sich am Montag mit Emmanuel Macron getroffen hatte, stand am Dienstag ein Besuch in Deutschland auf dem Programm. Und beide Male übermittelte Selenskyj die gleiche Botschaft: Die Westausrichtung der Ukraine steht nicht zur Diskussion.
In der Dienstagsausgabe der »Bild« hatte sich Selenskyj für eine Mitgliedschaft seines Landes in EU und NATO ausgesprochen. Die NATO-Osterweiterung, so der ukrainische Präsident, habe sich als wirksames Werkzeug erwiesen, um die Sicherheit in der Region zu gewährleisten. Sein Land könne ein »verlässliches Mitglied der Allianz werden«.
Auch mit Blick auf den Krieg in der Ostukraine zeichnet sich die Politik der neuen Regierung immer deutlicher ab. Im Wahlkampf hatte Selenskyj immer wieder seine Bereitschaft zu Friedensgesprächen mit Russland angekündigt. Direkte Verhandlungen mit den Volksrepubliken lehnt er nach wie vor ab. Genau wie am Montag in Paris wiederholte Selenskyj auch bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel seine Bereitschaft zu Friedensgesprächen, forderte aber zugleich eine Ausweitung der Sanktionen. »Wenn wir sehen, dass dieses Instrument nicht ausreichend ist, dann sollten weitere Instrumente gefunden werden.« Merkel plädierte dagegen für eine Verlängerung, keine Ausweitung der Sanktionen.
Nachdem die Kanzlerin im ukrainischen Wahlkampf noch Selenskyjs Vorgänger Petro Poroschenko empfangen hatte, lobte sie nun die Entwicklung der Ukraine. Kritischer äußerte sich Außenminister Heiko Maas (SPD). Er erwarte von Selenskyj Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und für einen Frieden in der Ostukraine, sagte Maas am Dienstag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Auf eindeutige Unterstützung trifft der Kurs des neuen Präsidenten bei der exportorientierten deutschen Wirtschaft. »Die Richtung in der Ukraine stimmt«, sagte Wolfgang Büchele. Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses erklärte im Vorfeld des Besuchs, Selenskyj habe die Chance, »für eine neue Dynamik im Reformprozess in der Ukraine zu sorgen und das Land noch stärker am EU-Binnenmarkt zu orientieren«. Für diesen Kurs verdiene er »jede Unterstützung«.
Bei einem gemeinsamen Abendessen deutscher Wirtschaftsvertreter mit Selenskyj wurden auch die ökonomischen Beziehungen beider Länder erörtert. 2018 lag der deutsch-ukrainische Handel bei sieben Milliarden Euro, ein Anstieg um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dennoch sieht Büchele das Potenzial der Ukraine »völlig unzureichend ausgeschöpft«. Aus wirtschaftlicher Perspektive sei zudem wichtig, zu einer Einigung über einen neuen Gastransitvertrag zwischen Russland und der Ukraine zu kommen.
Doch anstatt einer Modernisierung der Gaspipelines benötigt die Ukraine Unterstützung bei einer sozial-ökologischen Wende. Die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch fordert, dass die Bundesregierung ihre Zusammenarbeit mit der Ukraine noch konsequenter an den Pariser Klimazielen ausrichten sollte.
»Ukrainische Kohle- und Industrieregionen wie der Donbass drohen ansonsten im Zuge des aus wirtschafts- und umweltpolitischen Gründen notwendigen Ausstiegs aus der Kohle völlig abgehängt zu werden. Das würde die Ukraine weiter destabilisieren«, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Momentan liegt der Kohleanteil an der Stromerzeugung des Landes bei einem Drittel, Atomkraft trägt sogar zu mehr als der Hälfte der Stromerzeugung bei. Angesichts des ungelösten Krieges im Osten dürften diese drängenden Fragen allerdings auch in naher Zukunft hintenan stehen.
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