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Vor 66 Jahren
Die Science-Fiction-Serie »Dark« geht in die zweite Staffel: Zeitreisen in die 80er und 50er Jahre
Zeitreisen erfreuen sich in der Science Fiction gerade großer Beliebtheit. Das dürfte auch einer der Gründe für den Erfolg der Netflix-Serie »Dark« sein, deren erste Staffel 2018 sogar mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Heute abend läuft nun die zweite Staffel der düsteren Serie an, die in der fiktiven deutschen Kleinstadt Winden angesiedelt ist und einen komplexen sozialen Mikrokosmos entwirft: Erst verschwinden Kinder, dann auch Erwachsene, seltsame Phänomene wie vom Himmel fallende tote Vögel verunsichern die Kleinstädter, während aus dem nahen Atomkraftwerk Fässer mit radioaktivem Müll illegal in dem geheimnisvollen Höhlensystem der ländlichen Gegend verklappt werden. All das ist unterlegt mit einer düster-unheilsschwangeren Musik, während einzelne Bewohner, vor allem die Jugendlichen, beginnen, durch die Zeit zu reisen und immer wieder einem bösartig wirkenden Priester und dessen Helfershelfern begegnen. So weit Staffel eins der Serie, an die nun die achtteilige Fortsetzung, die das Geschehen in Winden weiter verfolgt, nahtlos anschließt.
Die Qualität dieser behutsam mit Fantasy-Elementen angereicherten Science-Fiction-Serie liegt in der detailreichen Inszenierung des kleinstädtischen Lebens im Wandel der Jahrzehnte. Denn aus dem Winden des Jahres 2020 reisen einzelne Bewohner 33 oder 66 Jahre in die Vergangenheit und 33 Jahre in eine dystopische Zukunft. Die hippen 80er Jahre werden dabei ebenso gekonnt in Szene gesetzt wie die 1950er Jahre mit ihrem kleinstädtischen Nachkriegsmief und ihren autoritären deutschen Polizeibeamten. Unterschiedliche Familiengeschichten entwickeln sich über Generationen hinweg mit all den dazugehörigen Klassenunterschieden, persönlichen Obsessionen, Pleiten und verzweifelten Ausbruchsversuchen. Das vermeintlich popelige Kleinstadtpanorama reicht von rebellierenden Punks über verkorkste Lehrer bis hin zu dramatischen Unternehmerschicksalen. Es geht um Betrug, um den Zwang, über Missbrauch zu schweigen, aber auch um zarte Versuche, sich aus der vorgegebenen Geschichte zu emanzipieren.
Dabei gelingt es den Machern der Serie, in der zweiten Staffel nicht einfach nur alles Bisherige mit ein paar neuen Wendungen weiterlaufen zu lassen. Vielmehr wird das rätselhafte Labyrinth weiter ausgebaut. Bisher warf die Serie vor allem Fragen auf. Wer reist durch die Zeit? Wie geht das? Welche Logik, welcher Zweck stecken hinter den Reisen durch die Zeit? Nun, in der zweiten Staffel, beginnen sich Antworten abzuzeichnen. Und die sind keineswegs simpel. Dabei wird auch die Frage danach, ob alles vorherbestimmt ist oder ob jeder einzelne doch noch Handlungsmacht besitzt, zur zentralen Thematik der Serie. Gleichzeitig beginnen die Bewohner der Kleinstadt, mit dem Rätsel der Zeitreisen und den Bedrohungen, die durch sie entstehen, umzugehen. Bisherige Streits werden überwunden und neue Bündnisse geschmiedet.
»Dark« erzählt sowohl von den kleinteiligen Empfindungen, Ängsten und Hoffnungen seiner Figuren, die sich stets um Erkenntnis bemühen, als auch von der großen Frage, wie viel Handlungsfreiheit überhaupt besteht. Die derzeit in dem Genre generell so angesagten Reisen durch die Zeit dürfen auch hier als Ausdruck einer Sehnsucht nach individueller und kollektiver Handlungsmacht verstanden werden. Der Kulturwissenschaftler Frederic Jameson sieht die Geschichte im Spätkapitalismus zur platten, nicht selten warenförmigen Nostalgie zurechtgestutzt. Die Reisen durch die Zeit, wie sie in »Dark« praktiziert werden, sind auf jeden Fall gefährlich, werden mitunter persönlich schmerzlich und stoßen die Figuren auf ihre ureigenen Probleme. Sie sind aber eine kompromisslose Auseinandersetzung mit der Geschichte und bekommen so auch eine politische Dimension.
»Dark«, Staffel 2 läuft ab 21. Juni auf Netflix.
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