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Die radikale Preiswahrheit

Dank Klimaprämie ist eine soziale und faire CO 2 -Bepreisung möglich, sagt DIW-Ökonomin Claudia Kemfert

  • Claudia Kemfert
  • Lesedauer: 4 Min.

81 Prozent der Deutschen wünschen sich endlich konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz, Millionen Schülerinnen und Schüler weltweit gehen genau dafür auf die Straße, unterstützt von Tausenden Wissenschaftlern. Und es scheint, als sei es in der Politik nun endlich angekommen: für eine Kostenwahrheit endlich die zur Kasse zu bitten, die das Klima nachhaltig schädigen. Denn wir brauchen dringend eine radikale Preiswahrheit. Eine »CO2-Bepreisung« könnte eben für eine verstärkte Kostenwahrheit sorgen. Doch bevor noch irgendwelche konkreten Zahlen genannt sind, geht ein Aufschrei durch die Republik. Sie sei zu teuer, sozial ungerecht, Autofahren und Heizen würden zum Luxus.

Die üblichen Verdächtigen sind sofort lautstark unterwegs: schließlich könne man doch nicht gleichzeitig für mehr Klimaschutz und gegen die Mehrkosten von Klimaschutz sein. Doch, man kann! Denn der Klimaschutz kostet uns gar nicht mehr. Im Gegenteil. Wir brauchen nur dringend die bereits genannte radikale Preiswahrheit - und eine faire Belastung der wahren Verursacher.

Die Wahrheit? Klimaschäden kosten nicht erst, wenn wir einen CO2-Preis erheben. Der Klimawandel hat schon immer gekostet. Permanent geben wir Millionen an Steuergeld aus, weil wir uns nicht vom Haupttreiber des Klimawandels, den fossilen Energien, verabschieden. Für den Deichbau etwa, der aufgrund steigender Meeresspiegel nötig ist, für die Dürrehilfen an die Bauern und die zunehmenden Atemwegserkrankungen. Und schlimmer noch: 57 Milliarden Euro gibt der Staat jedes Jahr für klimaschädliche Subventionen aus. Unsichtbar von der Gemeinschaft bezahlt.

Doch bis heute weigern sich die Verantwortlichen, diese Wahrheit auszusprechen; sie ist nämlich verdammt unbequem. Denn den Preis bezahlen ausgerechnet die, die am wenigsten zum Klimaschaden beitragen. Menschen mit geringem Einkommen, egal ob Pflegekraft, Friseur oder Rentnerin, haben nämlich in der Regel einen vergleichsweise kleinen CO2-Fußabdruck. Und trotzdem zahlen sie für die Emissionen, ohne es zu wissen. Mit ihren Steuern werden ausgerechnet die belohnt, die einen völlig anderen Lebensstil pflegen: die Besserverdienenden mit großzügig bemessenem Einfamilienhaus, mit Erst- und Zweitwagen und mit Urlaubsreisen in ferne Länder.

Man stelle sich vor, alle Menschen müssen fortan den Schaden bezahlen, den sie anrichten. Man stelle sich vor, man würde die derzeit oft steuerbefreiten Klimaschädlinge wie Kerosin, Diesel, Benzin und Heizöl an den verursachten Klimawandel-Folgekosten realistisch beteiligen. Und am selben Tag würde man damit beginnen, den Menschen das Geld, das ihnen jahrzehntelang heimlich aus den Taschen gezogen wurde, zurückzugeben - als Klimabonus oder Klimaprämie!

Was würde dann passieren? Ja, genau: Arme Menschen hätte plötzlich mehr Geld in der Tasche. Die Reichen dagegen müssten für ihr rücksichtsloses Flug-, Fahr - und Heizverhalten in Zukunft deutlich mehr bezahlen oder sich einen anderen Lebensstil zulegen. In einer jetzt veröffentlichten DIW-Studie haben wir als Basis eine CO2-Bepreisung im Jahr 2023 von 80 Euro je Tonne Treibhausgas angesetzt, im Gegenzug dazu eine Senkung von Stromsteuer und EEG-Umlage um sechs Cent/Kilowattstunde sowie eine Klimaprämie von 80 Euro jährlich pro Kopf der Bevölkerung. Zwei Beispiele: Das kinderlose Doppelverdiener-Paar mit etwa 5000 Euro Haushaltsnettoeinkommen, mit Eigenheim und zwei Autos zahlt dann unterm Strich zwölf Euro pro Monat mehr. Die in der Stadt zur Miete lebende Familie mit zwei Kindern, mit etwa über 3000 Euro Haushaltsnettoeinkommen und einem Auto, hat dagegen pro Monat fünf Euro mehr.

Solche Zahlen machen deutlich: Die derzeit lautstark geführte Sozialdebatte ist nur eine weitere rhetorische Fingerübung der fossilen Lobbyisten. Sie kämpfen mit Scheinargumenten um den Fortbestand ihrer Privilegien - und bremsen damit ausgerechnet Innovation und Wirtschaftskraft, die wir im weltweiten Wettbewerb so dringend brauchen.

Dass die aktuelle Regierung in ihrer Koalitionsvereinbarung eine CO2-Bepreisung vereinbart hat, ist längst überfällig. Allerdings muss man der Öffentlichkeit dabei endlich reinen Wein einschenken. Diese neue Preiswahrheit wird vor allem für die Besserverdienenden schmerzhaft. Eine Klimaprämie schafft Transparenz und Gerechtigkeit.

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