Köln, Münster, Tübingen - Besetzt

Eine kleine Besetzungswelle ist am Freitag quer durchs Land geschwappt. Initiativen fordern Freiräume für Wohnen und Kultur.

  • Sebastian Weiermann, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.

Viel entspannter kann eine Besetzung wohl kaum laufen. Freitagnacht, ein Supermarktparkplatz in Köln-Ehrenfeld. Gut 150 Menschen sitzen oder stehen in kleineren und größeren Grüppchen zusammen. Ein Mann vom benachbarten Kiosk geht mit einem Karton voller Wassereis durch die Gruppen und verschenkt die Erfrischung. Das wenige Stunden zuvor besetzte und auf den Name »Elster« getaufte Haus, ist eine kleine Attraktion. Menschen aus der linken Szene, gehen genauso ein und aus, wie andere Kölner Nachtschwärmer. Polizei? Fehlanzeige. Zwei kurze Besuche, Beamte wollten wissen, was los ist und appellierten etwas später nicht zu laut zu sein. Die Anwohner könnten sich sonst gestört fühlen. Die Punkband, die im Haus spielt, solle sich doch auf »noch zwei, drei Zugaben« beschränken, so ein Polizist.

Was nett klingt, hat einen ernsten Hintergrund. »Quasi alle Freiräume in der Stadt sind bedroht«, erzählt eine Besetzerin. Das Autonome Zentrum hat eine Schonfrist bis zum Jahresende, zwei Wagenplätze sollen weg. Einer soll einem Parkplatz weichen, der andere teuren Neubauten. Auch andere Initiativen haben es nicht leichter. Der Agisra e.V., eine Beratungsstelle für geflüchtete und von Gewalt bedrohte Frauen, steht nach einer Kündigung bald ohne Räumlichkeiten da. Ähnliches gilt für das feministische Projekt Assata im Hof. Eine Initiative, die im Frühjahr Wohnraum für obdachlose Frauen besetzt hatte, wurde direkt geräumt. Hier versprach die Stadt Verhandlungen. Passiert ist bisher wenig. Grund genug für diese sehr unterschiedlichen Initiativen, sich zu einem Freiraum- und Vernetzungswochenende zusammenzutun.

Das Wochenende begann am Freitag mit einem alternativen Spaziergang durch den Stadtteil Ehrenfeld. Der alte Arbeiterstadtteil, der später stark durch die Kulturszene geprägt wurde, wird stetig aufgewertet. Mittlerweile gebe es ganze Straßenzüge in denen quasi nur noch teure Büros oder Wohnungen sind. Günstiger Wohnraum oder Kneipen und Cafés, die sich Geringverdiener leisten können, seien mittlerweile Mangelware. Welch glücklicher Zufall, dass das alte Bahngebäude, das jetzt die »Elster« beherbergt, am Wegesrand des Spaziergangs lag und dass einige Menschen dessen Türen geöffnet hatten.

Köln ist nicht die einzige Stadt in der am Freitag Besetzungen stattfanden. In Tübingen wurde schon zum zweiten Mal das Haus in der Gartenstraße 7 besetzt. Die Aktivisten wollen hier auf die »prekären Wohnverhältnisse« in der Stadt aufmerksam machen und »dem Leerstand ganz konkret entgegengetreten«. Am Abend konnten sie den ersten Erfolg vorweisen, Verhandlungen mit Stadt und Eigentümer führten zu einer vorläufigen Duldung des Projekts. Auch in Münster wurde ein Haus besetzt. Die Zentrale in der Hafenstraße meldete am Freitagnachmittag ihre Besetzung. Auch hier geht es um Wohnraum und einen Platz für ein unkommerzielles Kulturangebot. Nach ein wenig Ärger mit der Polizei am frühen Abend, entspannte sich auch hier die Situation. Für den Rest des Wochenendes haben alle drei Projekte ein breites Angebot vom Nachbarschaftsfrühstück, über Workshops bis zu Konzerten angekündigt.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.