- Politik
- Abschiebungen
Flüchtlinge werden nach Afghanistan abgeschoben
Obwohl die Sicherheitslage angespannt ist, sieht Deutschland nicht von Abschiebungen ab
Kabul. Trotz fortwährender Gewalt im kriegszerrissenen Afghanistan ist am Mittwoch ein weiterer Abschiebeflug aus Deutschland in Kabul eingetroffen. 45 volljährige Männer waren laut Behörden an Bord des Fluges aus Leipzig. Sie kamen aus Bayern, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland. Es war die 26. Sammelabschiebung aus Deutschland seit dem ersten Flug im Dezember 2016. Damit sind insgesamt 645 Männer nach Afghanistan zurückgeführt worden.
Bei 22 der diesmal Abgeschobenen meldeten die Bundesländer rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen, wie es aus dem deutschen Bundesinnenministerium hieß. Dabei sei es unter anderem um Totschlag, gefährliche Körperverletzung, Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Raub, Diebstahl, Körperverletzung und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz gegangen.
Sicherheitslage ist angespannt
Abschiebungen nach Afghanistan sind wegen der angespannten Sicherheitslage umstritten. Der Krieg gegen die Taliban und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) fordert täglich Opfer.
In der westlichen Provinz Farah starben im Bezirk Bala Buluk mindestens 34 Zivilisten, nachdem ihr Reisebus auf eine am Straßenrand platzierte Bombe gefahren war und Feuer fing. 17 weitere seien verletzt worden, sagte ein Sprecher des Gouverneurs von Herat.
Einige Opfer sind dem Polizeisprecher von Farah zufolge bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Der Bus sei auf dem Weg von der westlichen Stadt Herat ins südliche Kandahar gewesen. Ein Teil der Verletzten sei in Krankenhäuser nach Farah-Stadt gebracht worden, ein Teil nach Herat. Die Zahl der Opfer könne noch steigen.
Ein verletzter Passagier teilte nach der Explosion sein Bild in den sozialen Medien und bat die Menschen, für ihn zu beten. »Dies könnte das letzte Lächeln am Ende meines Lebens sein!!!«, schrieb der junge Mann auf seiner Facebook-Seite.
Die selbstgebauten Bomben werden häufig von radikalislamischen Taliban-Kämpfern gelegt, um afghanische Sicherheitskräfte bei Truppenverlegungen anzugreifen oder sie zu behindern. Durch den Einsatz solcher Sprengfallen ist die Zahl ziviler Opfer zuletzt gestiegen. Das belegen Zahlen der Vereinten Nationen.
Opferzahlen steigen wieder
In den vergangenen Monaten ist vor allem die Zahl der Opfer durch Luftangriffe und Bodeneinsätze der afghanischen Regierungstruppen und ihrer internationalen Verbündeten gestiegen. Die Zahl der bei Einsätzen regierungstreuer Truppen verwundeten und getöteten Zivilisten stieg im ersten Halbjahr 2019 laut UN um 31 Prozent auf 1397 Opfer. Die Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als die Gesamtzahl der verletzten oder getöteten Zivilisten im gleichen Zeitraum um 27 Prozent auf 3812 sank.
Zählt man nur die getöteten Zivilisten, sind die regierungstreuen Truppen das zweite Quartal hintereinander für mehr Opfer verantwortlich als die Aufständischen. Durch Regierungstruppen kamen 717 unbeteiligte Bürger ums Leben; den Taliban, dem IS und anderen regierungsfeindliche Kräften rechnete die UN 531 Todesopfer zu.
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres sind nach UN-Angaben insgesamt fast 1400 Zivilisten getötet und weitere fast 2500 verletzt worden. Täglich sterben Dutzende Sicherheitskräfte und Taliban-Kämpfer bei Gefechten. Seit Jahresbeginn sind zudem 200 000 Menschen innerhalb des Landes vor Kämpfen auf der Flucht.
Es gibt die Sorge, die Opferzahlen könnten in den kommenden Monaten steigen. Am Sonntag hat in Afghanistan der Wahlkampf für die Ende September geplanten Präsidentschaftswahl begonnen. Gleich am ersten Tag des Wahlkampfs wurde in Kabul das Büro eines Vizepräsidentenkandidaten angegriffen. Dabei kamen mehr als 20 Menschen ums Leben.
Im Bemühen, den Konflikt politisch zu lösen, gab es bisher mehrere Gesprächsrunden zwischen Vertretern der USA und hochrangigen Taliban. Diese sollen zu direkten Gesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban führen. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.