Mit allen auf Augenhöhe

Der Freiburger Fritz Keller soll neuer DFB-Präsident werden. Auch wenn er einem Bundesligisten vorsteht, ist er den Amateuren doch näher als seine Vorgänger

Im Frühjahr machte beim SC Freiburg erstmals das Gerücht die Runde, dass der Vereinspräsident mit einem Amt in Frankfurt am Main liebäugele. Nicht jeder nahm es damals ernst. Jetzt dürften sie das tun, denn der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga schlugen am Mittwoch Keller für das Amt des nächsten DFB-Präsidenten vor.

Der gebürtige Freiburger Fritz Keller war bislang eng mit seinem Heimverein verbunden, dessen Präsidium er seit den frühen Neunzigern angehört. Allerdings ist er seit Oktober 2018 letztlich nur noch Repräsentant des Sportclubs. Das Machtzentrum bilden seither die Vorstände Oliver Leki und Jochen Saier.

Keller kennt Hunderte Vereinsmitglieder persönlich und hat einige der 230 meist mittelständischen Sponsoren selbst für ein Engagement beim SC geworben. Als informeller Außenminister hat er den Verein bestens vertreten. Doch der 62-Jährige kann auch sehr aufbrausend sein. Wenn ihm ein Schiedsrichterpfiff missfällt, bekommen das Dutzende Journalisten auf der Tribüne mit. Weder in der Vereinsführung noch im Aufsichtsrat hat das vielen gefallen. »Ich weiß, dass ich manchmal nach dem Spiel Dinge sage, die mir kurz darauf leidtun«, sagt Keller. Er arbeite aber an sich, fügt er hinzu. Sollte er DFB-Präsident werden, woran es seit Mittwoch kaum einen Zweifel gibt, wird er das definitiv tun müssen.

Die meisten Granden im deutschen Fußball kennen Keller eher als freundlichen, gewitzten Menschen. Dass es in Freiburg Usus ist, die Präsidien des jeweiligen Gegners am Tag vor dem Spiel in ein gutes Restaurant einzuladen, hat seine Beliebtheit sicher nicht geschmälert. »Solch ein gemeinsam verlebter Abend hat schon sehr viele Konflikte bereinigt«, weiß der Genussmensch Keller.

Die hysterischen Ausschläge des Business sind ihm suspekt. Er ist zutiefst davon überzeugt, dass nur Ruhe und Kontinuität Erfolge garantieren. So musste Freiburgs Trainer Christian Streich seit seinem ersten Arbeitstag im Januar 2012 nie um sein Amt fürchten. In Keller hatte er stets einen mächtigen Fürsprecher.

Für den DFB könnte Keller in vielerlei Hinsicht eine gute Besetzung sein. Das Lager der Amateure ist ihm emotional näher als die investorengetriebenen Klubs in der Champions League. Für den Erhalt der 50+1-Regel, die den Einfluss von Investoren begrenzen soll, hat er sich zuletzt auch öffentlich massiv eingesetzt. So dürfte es keinen großen Dissens zwischen ihm und dem mächtigen DFB-Vize Rainer Koch geben. Es bleibt spannend, ob Keller den reichen Profivereinen bei der Verteilung der Fernseheinnahmen mehr Zugeständnisse abringen kann als seine Vorgänger.

In Sachen sozialer Kompetenz hätte Keller gegenüber Reinhard Grindel auf jeden Fall einen riesigen Vorsprung. Letzterer wurde die Aura eines mit der Fußballwelt fremdelnden Technokraten nie los. Keller hingegen kann mit Uli Hoeneß genauso auf Augenhöhe sprechen wie mit dem Trainer eines Kreisligisten.

Der neue DFB-Präsident in spe ist in vielerlei Hinsicht erzkonservativ und wittert schon bei braven DGB-Gewerkschaften klassenkämpferische Umtriebe. Doch er ist ohne Zweifel ein überzeugter Europäer, der glaubwürdig vor den Gefahren von Nationalismus und Intoleranz warnt. Allein deshalb, weil ihm Frankreich, Italien und die Schweiz näher sind als Schleswig-Holstein oder Berlin. Und das nicht nur kulinarisch.

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