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Brandenburgs SPD neigt jetzt zur CDU
Ministerpräsident Dietmar Woidke wünscht sich stabile Regierung statt knappe Mehrheit von Rot-Rot-Grün
Unmittelbar vor der Brandenburger Landtagswahl am 1. September hatte SPD-Pressesprecherin Katrin Molketin eine interne Strichliste geführt, wer von den Kandidaten ihrer Partei Rot-Rot-Grün bevorzugen würde. Ein Ergebnis oder wenigstens einen Trend wollte sie nicht preisgeben. Es schien aber so, als neigten die Sozialdemokraten zwar innerlich zu Rot-Rot-Grün, zweifelten aber, dass diese Variante eine Mehrheit bekommt. Darum schloss kein Sozialdemokrat ein Bündnis mit der CDU aus. Dahin scheint der Zug nun zu rollen.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hob zwar am Wahlabend extra hervor, Brandenburg sei es nie besser gegangen als in den vergangenen zehn Jahren unter Rot-Rot. Es sei in dieser Zeit Vertrauen zwischen den Koalitionspartnern gewachsen. Doch wünscht sich Woidke eine stabile Regierung. Rot-Rot-Grün hat aber nur die denkbar geringste Mehrheit von 45 der 88 Landtagsmandate. Ein Bündnis aus SPD und CDU mit den Grünen oder der Linkspartei käme dagegen auf zusammen 50 Mandate.
CDU versucht Brücken wieder aufzubauen
Folgerichtig möchte sich der Ministerpräsident zuerst mit der CDU treffen. Immerhin versprach er aber auch: »Wir werden mit allen sondieren, die für eine Regierungsbildung infrage kommen.« Die Gespräche sollen voraussichtlich noch in der laufenden Woche beginnen. Der SPD-Landesvorstand wollte das Vorgehen am Montagabend besprechen.
Theoretisch wäre auch eine Koalition aus SPD, CDU und Freien Wählern denkbar, die dann aber wieder im Parlament nur eine Mehrheit von einer Stimme hätte.
CDU-Spitzenkandidat Ingo Senftleben, ein gelernter Maurer, der sich im Wahlkampf als »Brückenbauer« verkauft hatte, bemühte sich auch schon, die Brücke zur SPD eilig neu zu errichten, die er im Juni voreilig abgerissen hatte, als er in Selbstüberschätzung eine Zusammenarbeit seiner CDU mit Woidke ausgeschlossen hatte. Senftleben bekundete die Bereitschaft, »Gespräche zu führen um eine stabile Regierung zu bilden«.
Volle Kanne Demut bei der CDU
Eine Regierungsbeteiligung bietet der CDU die Chance, aus ihrem historisch niedrigen Ergebnis von 15,6 Prozent noch einen Vorteil zu ziehen. Dennoch kam CDU-Generalsekretär Steeven Bretz am Montag nicht umhin, bitter festzustellen: »Wir haben nicht fünf Jahre gerackert, um ein solches Ergebnis einzufahren.« Selbstverständlich wollte Senftleben nicht der Juniorpartner von Woidke werden. Doch Bretz findet, man müsse das Wahlergebnis »mit Demut« zur Kenntnis nehmen und dem »Qualm des Wahlkampfes« gestatten, sich zu verziehen.
Grünen-Landeschefin Petra Budke nannte rote Linien, die ihre Partei bei notwendigen Kompromissen nicht überschreiten würde. So dürften keine Ortschaften mehr zugunsten eines Braunkohletagebaus abgebaggert werden und bei der Agrarpolitik müsse sich einiges ändern. »Wir wollen keine einfachen Mehrheitsbeschaffer sein«, erklärte Budke, deren Partei landesweit 10,8 Prozent erzielt hatte.
Mit 10,7 Prozent noch hinter den Grünen landete die LINKE. Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg nannte dies am Montag ein »katastrophales Ergebnis«. Die LINKE habe das Vertrauen, das die Bürger früher in die Partei gesetzt haben, nicht wieder aufbauen können. Bürger fühlten sich von ihr offenbar nicht ernst genommen, und Lösungen zu finden, traue man der Linkspartei in geringerem Maße als früher zu. Er freue sich natürlich, dass im Endspurt die SPD »die Nase vorne behalten« habe, sagte Wollenberg mit Blick darauf, dass ein Wahlsieg der AfD drohte. Die Koalitionsfrage beantwortete der Landesgeschäftsführer diplomatisch: »Wir können beides, Regierung und Opposition.« Er sagte: »Der Ball liegt im Spielfeld der SPD.«
Ob der Landesverband bei einem Mitgliederentscheid für weitere Regierungsarbeit zu begeistern sein würde, ist offen. Wenn sich am Sonnabend der Landesvorstand mit dem Landesausschuss trifft, wird dort nach nd-Informationen voraussichtlich ein Antrag gestellt werden, der darauf abzielt, dass die LINKE so oder so in die Oppositionsrolle wechselt.
Die AfD, die mit 23,5 Prozent als zweitstärkste Kraft aus der Landtagswahl hervorging, weiß selbst ganz genau, dass sich in Brandenburg niemand mit ihr einlassen möchte. Landesgeschäftsführer Lars Hünich bemerkte deshalb am Montag, er sehe seine Partei in der Opposition.
Weniger Frauen ins Parlament gewählt
Als »etwas ausgeschlafener als vor fünf Jahren« bezeichnete sich Landeswahlleiter Bruno Küpper, als er am Montag vor die im Landtag versammelten Journalisten trat. Den im Verlauf der als »Schicksalswahl« apostrophierte Landtagswahl seien am Sonntag keine Auffälligkeiten festgestellt worden. Er habe deswegen schon »um Mitternacht« daheim sein können. Im Jahr 2014 sei das erst morgens um 6 Uhr gewesen. Wohl seien Unregelmäßigkeitsmeldungen abgegeben worden. Doch die Vorwürfe hatten nach bisherigem Stand keinerlei Substanz. Man müsse diese Meldungen »Querulanten« zuordnen, sagte Küpper.
28 von 88 Landtagsabgeordneten sind Frauen. »Das war schon mal mehr«, kommentierte Küpper. Erneut sei der Anteil der Briefwähler gestiegen. Er lag jetzt bei 23,1 Prozent, vor fünf Jahren waren es 20,3 Prozent gewesen. Die Wahlbeteiligung ist spektakulär auf einen der höchsten Werte seit 30 Jahren gestiegen. Sie lag bei 61,3 Prozent nach nur 47,9 Prozent im Jahr 2014.
Auch 51 000 Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren durften bei der Landtagswahl ihre Stimme abgeben. Inwieweit sie von diesem Recht Gebrauch gemacht haben und ob sie ein besonderes Wahlverhalten zeigten, werde noch ermittelt, heißt es.
Obwohl das befürchtet worden war, gab es auch diesmal wieder kein Überhangmandate und demzufolge auch kein Ausgleichsmandat. Das einzige jemals ermittelte Überhangmandat im Land Brandenburg hat Küpper zufolge 1999 die SPD-Politikerin Regine Hildebrandt errungen. Sie nahm es allerdings nicht an, womit es verfiel. Nachdem sich der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) für eine Koalition mit der CDU statt mit der PDS entschieden hatte, gab Hildebrandt ihren Posten als Sozialministerin auf und zog sich aus dem Landtag zurück. Ihre Haltung zu einer Koalition mit der CDU hatte sie in ihrer unnachahmlichen Art bekundet, als sie entnervt sagte: »Nicht mit den Arschlöchern.« Die Absicht einer Nachrückerin, Regine Hildebrandts Landtagssitz einzunehmen, wurde seinerzeit von einem Gericht durchkreuzt.
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