- Kommentare
- UNO-Klimagipfel
Ein todbringender Kurs
Drastische Worte: Hubert Weiger hält den UNO-Klimagipfel in New York für eine »Show-Veranstaltung«
Es geht in die falsche Richtung, in die ganz falsche Richtung. Angela Merkel und Co. stehen in New York auf der Bühne der Vereinten Nationen (UN) und reden von Geld, Handel und Technik als Wundermittel im Kampf gegen die Klimakrise. Und zu Hause scheuen die Regierungschefs, die Entscheidungen zu treffen, die im Kampf gegen die Klimakrise notwendig sind. Die Bundeskanzlerin versucht gar, einen wirkungslos niedrigen CO2-Preis als Durchbruch zu verkaufen.
Länder wie Costa Rica, Mexiko und die Ukraine haben angekündigt, ihre Klimaziele zu erhöhen. Australien, Brasilien, die USA und Europa schweigen dagegen ganz, denn sie haben nicht vor, ihre Klimaziele zu verbessern oder in den nächsten Jahren aus der Förderung von Kohle, Öl und Gas auszusteigen. Alte und ungenügende Ziele, Pakete, Strategien, Maßnahmen wurden als schwierige, aber notwendige Schritte auf dem Weg der großen Transformation dargestellt. Politik sei das, was möglich ist, sagte Merkel. Ein ernüchterndes und ungenügendes Fazit. Die Klimaaktivistin Greta Thunberg hat die Show-Veranstaltung schon vor Beginn als solche entlarvt und die anwesenden Regierungsvertreter gewarnt: »Die Augen aller zukünftigen Generationen sind auf Euch gerichtet. Wenn ihr Euch dazu entscheidet, uns im Stich zu lassen, werden wir Euch niemals vergeben.« Recht hat sie.
Auf Thunbergs starke Worte folgte abwechselnd betretenes Schweigen und paradoxer Applaus von denjenigen, die die Klimakrise zuspitzen, anstatt das Ruder herumzureißen. UN-Generalsekretär António Guterres, das muss man ehrlicherweise sagen, ist mit seinem Ansinnen, die bislang dünnen Klimaplänchen zur Umsetzung des Pariser Abkommen aufzustocken, gescheitert. Bleibt es dabei, ist die Staatengemeinschaft auf einem todbringenden Kurs. Rechnet man alle Pläne zusammen, wird die Erderhitzung auf bis über drei Grad ansteigen.
Die Politik der Bundesregierung versagt bei der Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens und der Abwehr der Klimakrise. Die 2020-Ziele werden verfehlt und das sogenannte Klimapaket bringt nicht den notwendigen Kurswechsel, um die 2030-Ziele zu erreichen. Laut der Klimarahmenkonvention gilt aber für Deutschland: Länder mit einem hohen Industrialisierungsgrad müssen ihre Emissionen zuerst und am meisten reduzieren. China, Südafrika, Indien und Brasilien fordern zu Recht mehr Klimaschutz von den alten Industrieländern. Sie haben bereits angedroht, dass sie nicht mehr Klimaschutz machen, wenn sich diese Länder nicht schneller bewegen. Damit hat die nationale Politik der schwarz-roten Bundesregierung fatale Auswirkungen auf die internationale Klimadiplomatie: Regierungen, die an ihrer klimaschädlichen Politik festhalten wollen, nutzen den Totalausfall der Bundesregierung als Ausrede, ihre eigene Öl-, Gas- und Kohleindustrie weiter zu päppeln oder der Brandrodung ihrer Wälder tatenlos zuzusehen. Merkels Regierung richtet somit national und international verheerende Schäden an.
Zwei gesellschaftliche Gräben werden durch sie vertieft: der zwischen Jung und Alt und der zwischen den Verursachern und den Opfern der Klimakrise. Auch wenn die Bevölkerung beim Klimaschutz gespalten sein sollte, von der Klimakrise sind alle betroffen. Handeln wir jetzt nicht im ausreichenden Maße, werden die Maßnahmen und Einschnitte in der Zukunft viel härter, viel teurer und auch schmerzhafter. Meine Enkelinnen und Enkeln werden kein CO2-Budget mehr zur Verfügung haben und werden hier in Deutschland verdorrte Äcker, trockene Flussbette und sterbende Wälder sehen. Menschen auf den Bahamas, in der Karibik und an der Küste von Mosambik müssen sich schon jetzt nach einer neuen Heimat umsehen und umsiedeln. Ob es diese neue Heimat gibt, ist offen. Bisher gibt es auf internationaler Ebene keine finanzielle Unterstützung für die, die durch Klimaschäden alles verlieren.
Der Papst hat uns alle in New York zu Mut und Ehrlichkeit in der Klimakrise aufgefordert. Ich werde diesen Mut zeigen, wenn ich in meiner Familie, im Freundeskreis oder in der Öffentlichkeit über die Zukunft auf unserem Planeten rede. Und ich wünsche mir, dass Angela Merkel Mut beweist und die ganz große Wende, die unser aller Überleben sicher kann, in Angriff nimmt. Wir brauchen Klimagesetze, die die Emissionen stoppen. Politik ist das, was notwendig ist. Handelt.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!