Vorsicht, defekt!

Stephan Kaufmann entthront die allesrettende »Technologie«

»Wie könnt ihr es wagen!«, rief Klimaaktivistin Greta Thunberg der jüngsten UN-Vollversammlung zu. Gemessen an den Vorwürfen, die die Fridays-For-Future-Bewegung den Regierenden macht, erntet sie von diesen enorm viel Zustimmung. Politiker loben die bewegten Jugendlichen, sprechen ihnen ihr Verständnis aus. Im Gegenzug erwarten sie, dass sich die Jugend damit von ihnen repräsentiert fühlt und die Politik nicht weiter stört bei ihrem schweren Geschäft des Klimaschützens. Da Greta & Co diesem Ansinnen nicht so recht Folge leisten, erteilt die Politik ihnen den Bescheid, dass es keinen Grund für Aufregung und Umsturz gibt. In Thunbergs Rede, so Kanzlerin Angela Merkel, »kam nicht ausreichend zum Ausdruck, in welcher Weise Technologie, Innovation uns Möglichkeiten eröffnet, die Klimaziele zu erreichen«.

»Technologie und Innovation«, das ist derzeit das glänzende Geschwisterpaar, die magische Formel, die alles zum Guten wenden soll. FDP-Chef Christian Lindner will auf jeden Verzicht verzichten und stattdessen »durch beste & neueste Technik erreichen, dass die Menschen frei leben, während wir gleichzeitig etwas für die Klimaschutz tun«. CDUler Friedrich Merz sekundiert: »Die Herausforderung des Klimawandels können nur durch Technologie gelöst werden«. Subtext: und nicht durch Systemwandel.

Das vor einigen Jahrzehnten modisch gewordene Wort »Technologie« will mehr sein als bloße Technik. Das Wort verströmt Autorität, Wissenschaft, Fortschritt per se, das Gute. Es fordert Respekt und bringt zum Schweigen. Zwar trugen die Technologien und Innovationen der Vergangenheit dazu bei, Umwelt zu zerstören. Doch soll man sie anders sehen, als Versprechen: Erfindungsreichtum und Ingenieurskunst werden uns retten!

Dieses Versprechen tut so, als fehlten der Menschheit nur die richtige Maschinen, um das Klima zu schützen. Klimawandel gilt damit als so etwas wie ein technischer Defekt, der noch behoben werden muss. Man fragt sich: Um welchen Defekt handelt es sich? Warum funktioniert die Technologie noch nicht so richtig?

Antwort: Entscheidender Funktionsfehler der bestehenden Technik ist, dass sie nicht profitabel ist. Sie funktioniert, aber sie taugt nicht als Geschäftsmittel. Denn sie ist zu teuer und das bedeutet: schmutzige Alternativen sind schlicht profitabler, weil billiger. Der Funktionsfehler der sauberen Technologie ist meist die mangelnde Kapitalrendite.

Das Problem ist also eines der herrschenden Wirtschaftsweise. Mit der Rede von der rettenden Technologie dagegen werden Fokus und alle Hoffnung auf noch zu entwickelnde Apparate und Prozesse gelenkt, also auf die Unternehmen, die diese Apparate entwickeln sollen - und damit exakt auf jene Wirtschaftsakteure, die das Klima seit Jahrzehnten geschäftstüchtig ruinieren.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -