Keine halben Deckel

Mieterbewegung demonstriert für umfassenden Mietendeckel und fordert Enteignung von Immobilienkonzernen

  • Georg Sturm
  • Lesedauer: 3 Min.

»Miethaie zu Fischstäbchen«, »Kiezkultur von unten verteidigen« und »Wir wollen den Deckel und die ganze Töpferei« - diese und weitere Forderungen standen am Donnerstag auf den zahlreichen Plakaten, die die Demonstrierenden am Alexanderplatz in die Luft hielten. Über 50 Initiativen, Verbände und Organisationen hatten zu der Demo »Richtig deckeln, dann enteignen - Rote Karte für Spekulation« aufgerufen. Trotz herbstlicher Temperaturen waren immerhin 4000 Menschen gekommen.

Der Anlass für die Demonstration: Die sich zuspitzende Diskussion über den geplanten Mietendeckel sowie die bereits drei Monate andauernde rechtliche Prüfung des Volksbegehrens »Deutsche Wohnen & Co enteignen«. »Das Vorhaben steht unter Beschuss und der aktuelle Entwurf macht aus dem Deckel ein Sieb«, heißt es in dem Aufruf des Bündnisses »Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn«. Mit dem Protest wolle man dem Senat zeigen, dass es einen richtigen Mietendeckel und dann die Enteignung der Immobilienkonzerne brauche.

»Der Entwurf ist weit hinter unseren Erwartungen«, ruft Stefan von »Deutsche Wohnen & Co enteignen« in das Mikrofon. Gemeinsam müsse man dafür sorgen, dass dieser nicht unter dem Druck der Immobilienwirtschaft noch weiter verwässert werde. »Der Mietendeckel muss nicht atmen, sondern fest halten, damit wir Mieter*innen wieder atmen können«, sagt der Sprecher des Volksbegehrens. Dieser solle keine Ausnahmen zulassen und überteuerte Mieten wirksam senken.

An dem Instrument der Mietabsenkung hat sich derzeit in der Berliner Regierungskoalition ein Streit entfacht. Der aktuelle Entwurf sieht die Möglichkeit vor, die Miete zu senken, knüpft dies aber an Bedingungen. Eine Absenkung ist demnach nur möglich, wenn die Nettokaltmiete einer Wohnung über der Mietobergrenze liegt und 30 Prozent des Gesamt-Nettoeinkommens des Haushalts übersteigt. »Das betrifft nur zehn Prozent der Berliner Mieter*innen«, sagt Susanna Raab, Mitorganisatorin der Demo zu »nd«. Marja Müller vom »Mieter*innenprotest Deutsche Wohnen« zeigt sich irritiert, dass dieser Entwurf von der Berliner SPD weiter eingeschränkt werden soll. »Die Sozialdemokratie muss sich entscheiden, ob sie Politik für Mieter*innen machen oder der Immobilienlobby folgen will«, stellt Müller klar.

»Der Widerstand der Immobilienwirtschaft zeigt, wie notwendig der Mietendeckel ist«, erklärt Wolfgang Mahnke, der zusammen mit der Initiative »MieterWerkStadt Charlottenburg« bei dem Demo-Zug mitläuft. Viele der Demonstrierenden setzen große Hoffnung in den Mietendeckel. So auch der Brite Alex P., der seit einigen Jahren in Berlin lebt: »Die Mieten hier steigen schnell und ich habe die Sorge, dass dasselbe passiert wie in London.« Der Mietendeckel könne verhindern, dass Menschen aus der Innenstadt verdrängt werden.

Für Hans Joachim Dietz kommt der Mietendeckel bereits zu spät. Der Rentner wurde durch eine 50-prozentige Mieterhöhung aus seiner Charlottenburger Wohnung »rausmodernisiert« und musste deshalb nach Lichtenberg umziehen. Dietz protestiert nun dafür, »dass Mieten nicht mehr ohne Hindernis ansteigen können«.

Ein durchgreifender Mietendeckel ist für die protestierenden Organisationen nur eine erste Maßnahme, der die Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände folgen soll. »Wir werden Geschichte schreiben und uns die Wohnungen zurückholen«, stellt Stefan von »Deutsche Wohnen & Co enteignen« klar. Der Senat habe die Wahl: Entweder er stelle sich auf die Seite der Immobilienwirtschaft oder auf die der Mieter*innen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -