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Zu Höherem berufen

Lust am Verteidigen und blindes Verständnis in der Offensive: Freiburg besiegt Leipzig

Vom Schock, der den SC Freiburg Mitte der Woche ereilt hatte, war am Sonnabend nichts mehr zu spüren. Dabei hatte es am Mittwochabend noch so ausgesehen, als ob der Sportclub auf Anordnung des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofes ab kommendem August im dann bezugsfähigen neuen Stadion keine Abendspiele würde austragen dürfen, auch der frühe Sonntagnachmittag sei tabu. Erst quälend lange Stunden später gab das Gericht zu verstehen, dass es eine seit 2017 veraltete Lärmschutzverordnung herangezogen hatte. Für den Freiburger Bundesligafußball bedeutet das de facto Entwarnung - und die hatte Trainer Christian Streich offenbar so beflügelt, dass er sich noch genauer auf das Heimspiel gegen RasenBallsport Leipzig vorbereitete.

»Den Sieg gegen Leipzig haben uns nicht viele zugetraut«, sagte jedenfalls Freiburgs Angreifer Nils Petersen nach dem 2:1-Sieg gegen RB. »Wir uns schon.« Selbstbewusstsein haben sie also, die zwischenzeitlichen Tabellenzweiten vom SC Freiburg, die ja in der Regel eher pikiert reagieren, wenn man ihnen unterstellt, dass sie in dieser Spielzeit zu Höherem berufen sein könnten als zum bloßen Klassenerhalt. Weshalb sie derzeit nach offizieller Lesart auch bloß 17 Zähler gegen den Abstieg beisammen haben und »natürlich keine Spitzenmannschaft« seien, wie Petersen nochmals verdeutlichte. Aus den letzten beiden Heimspielen haben die Freiburger allerdings vier Punkte geholt. Was keine so erstaunliche Bestandsaufnahme wäre, wenn die Gegner dabei nicht Dortmund und Leipzig geheißen hätten. Also Spitzenmannschaften, die sich auch als solche sehen.

Gegen Leipzig war beim Freiburger Sieg nach Toren von Nicolas Höfler und Petersen allerdings auch einiges Glück im Spiel, denn Leipzig dominierte den ersten Durchgang doch sehr deutlich. Zwölf mehr oder minder gefährliche Abschlüsse hatten die Gäste in den ersten 45 Minuten, 60 Prozent Ballbesitz waren bei Abpfiff verzeichnet. Und doch schaffte es Freiburg, sich nach Höflers glücklichem Führungstreffer in der Nachspielzeit der ersten Hälfte im zweiten Durchgang die Führung auch zu verdienen. Hatte der SC im ersten Durchgang noch ebenso konsequent wie intelligent verteidigt, gab es nun auch schöne Kombinationen zu sehen, ohne dass dabei die Konzentration in der Rückwärtsbewegung nachgelassen hätte. Und da Leipzig nach dem starken ersten Abschnitt nach Wiederanpfiff kraftlos bis wurstig agierte, ging das auch ganz gut auf. Zumal Freiburgs zweiter Treffer in der Nachspielzeit der zweiten Hälfte wie gemalt war, um zu illustrieren, was das Freiburger Offensivspiel auszeichnet. Der Pass von Vincenzo Grifo in den eigentlich leeren Raum wurde zur zentimetergenauen Vorlage, weil Torschütze Petersen schon losgelaufen war, bevor der Ball Grifos Fuß verlassen hatte. Es herrschte also mal wieder blindes Verständnis zwischen den beiden Freiburger Offensivpromis, die im Übrigen mal wieder beide zu Beginn der Partie noch auf der Bank gesessen hatten. Ohne zu murren - wie sich das nach Ansicht ihres Trainers Christian Streich auch gehört.

Dass man gegen offensivwütige Leipziger erst in der Nachspielzeit den einzigen Gegentreffer kassierte, passt in die Erzählung dieser Saison, in der der SC bislang nur zehn Gegentore hinnehmen musste. Er lässt weniger Torchancen als in den vergangenen Jahren zu, weil auch im Mittelfeld und Angriff hart nach hinten gearbeitet wird. Und weil in der Innenverteidigung die Qualität so hoch ist, wie sie bei Freiburger Mannschaften in den letzten Jahrzehnten selten zu beobachten war. Philipp Lienhart, Robin Koch und Dominique Heintz sind individuell stark und ergänzen sich nahezu perfekt. Wer sah, wie Koch seinen ehemaligen Lauterer Kollegen Willi Orban in letzter Sekunde am Torschuss hinderte, versteht sicher besser, warum der Sohn von Vokuhila-Legende Harry Koch sich neuerdings Nationalspieler nennen darf. »Uns macht es im Moment einfach Spaß zu verteidigen«, sagte Petersen. »Und wir kriegen das auch ganz gut hin.«

Ähnlich sahen es aus ihrer Perspektive auch die Leipziger, die in der Champions League gerade 2:1 gegen St. Petersburg gewonnen und am Sonnabend allesamt so eine schlechte Laune hatten wie ihr offenherziger Trainer: »Wir müssen einfach öfter und schneller in den Sechzehner kommen«, sagte Julian Nagelsmann, der erstaunlich hart mit seinem Team und der Tabellensituation ins Gericht ging. »In der Champions League sieht es ganz gut aus, aber in der Liga ist der Druck auch auf den Mann im schwarzen Hoodie nicht weniger geworden«, sagte der Mann im schwarzen Hoodie, der dabei wohl selbst ein bisschen über sich erschrak: »Krass, dass das ein Trainer sagt, oder?«

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