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Bahn frei für Radfahrer
Neues Bündnis soll für schadstoffarmen und sicheren Stadtverkehr sorgen
VW-Chef Herbert Diess überreicht Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) feierlich einen goldenen Auspuff für seine besonderen Verdienste um die deutsche Autoindustrie. Daneben zieren Logos von Autokonzernen einen großen Geldhaufen, Symbole für öffentliche Verkehrsmittel einen kleinen. Natürlich hat dieses Ereignis so nicht stattgefunden - es handelte sich um eine Attac-Aktion am Donnerstag vor dem Verkehrsministerium in Berlin. Das globalisierungskritische Netzwerk wollte damit seinen Protest gegen die Verkehrspolitik der Regierung, die spritschluckende Autos stärker fördert als umweltfreundliche Verkehrsmittel, zum Ausdruck bringen und für ihre Forderung nach einer »klimagerechten Mobilität für alle« werben.
Anlass war die Jahreskonferenz des Nationalen Kompetenznetzwerks für nachhaltige urbane Mobilität, die zeitgleich im Ministerium begann. Auf der zweitägigen Veranstaltung soll ein »Bündnis für moderne Mobilität« gegründet werden, an dem Vertreter des Bundes, von Landesregierungen und der kommunalen Spitzenverbände mitarbeiten werden. In der vorbereiteten Gründungserklärung heißt es, die Mitglieder wollten »schnell Verbesserungen vor Ort erzielen«. Der Verkehr müsse »klimafreundlich, schadstoffarm, flexibel, sicher und zuverlässig sein«. Dazu gehöre, umweltfreundlichen Verkehrsmitteln den notwendigen Platz einzuräumen.
Konkrete Vorschläge sollen später erarbeitet werden, doch die Richtung scheint vorgegeben: Bund, Länder und Kommunen wollen Lösungen finden, wie Busse und Bahnen, Radler und Fußgänger bessere Bedingungen bekommen. So könnten die Tempo-30-Zonen ausgeweitet und mehr Fahrradspuren eingerichtet werden. Minister Scheuer hatte bereits betont, dass Radfahrer mehr Platz bräuchten. Anwohnerparkausweise könnten möglicherweise teurer werden. »Die Mobilität in den Städten wird vielfältiger und muss nachhaltiger und moderner werden«, sagte der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, gegenüber dpa. Ziel sei, dass noch mehr Menschen mit dem öffentlichen Nahverkehr, auf dem Rad oder zu Fuß mobil seien.
Dies dürfte in dem Bündnis im Grundsatz kaum strittig sein. Anders verhält es sich in der Frage der Entscheidungsstrukturen, denn in diesem Politikbereich mischen Bund, Länder und Kommunen mit und bremsen sich zum Teil gegenseitig aus, so dass sich trotz der anerkannten Notwendigkeit einer Verkehrswende seit Jahren wenig bewegt. Die Kommunen fordern mehr Entscheidungsspielräume vor Ort - verständlich, da Lösungen von der Stange hier kaum sinnvoll sind. »Die Städte sollten auch neue Lösungen ausprobieren dürfen«, so Städtetags-Vize Lewe, der CDU-Oberbürgermeister der Fahrradstadt Münster ist. Er nannte als Beispiele Verkehrszeichen wie einen Grünpfeil für Radfahrer, neue Umweltspuren oder Regelungen zur Geschwindigkeit innerorts. Gleichwohl sind die Kommunen auf Geldmittel von Bund und Ländern angewiesen, die die Entscheidungen über die Mittelausgabe nicht aus der Hand geben wollen.
Und so gibt es bisher ein krasses Missverhältnis zwischen Notwendigkeit und Wirklichkeit. Das Bundeskabinett hatte kürzlich beschlossen, den Ländern für den Regionalverkehr mit Bahnen und Bussen von 2020 bis 2023 insgesamt 1,2 Milliarden Euro zusätzlich bereitzustellen. Kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein: Die Verkehrsexperten von Attac schätzen, dass allein für den Ausbau des ÖPNV in den Städten in den kommenden zehn Jahren 500 Milliarden Euro benötigt werden.
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