Die Zukunft der Moore

Die Trockenlegung von Moorböden hat diese von Kohlenstoffsenken in Kohlenstoffquellen verwandelt. So kommt ihrer Wiederherstellung eine Schlüsselrolle im Klimaschutz zu.

  • Ingrid Wenzl
  • Lesedauer: 4 Min.

Moore sind wichtige Kohlenstoffspeicher. Aufgrund ihres hohen Wasserspiegels wird absterbendes Pflanzenmaterial im Boden nur langsam zersetzt, so dass sich dort große Teile der Biomasse in Form von Torf ablagern. So entziehen sie der Atmosphäre im Laufe der Jahre große Mengen an Kohlendioxid (CO2) und leisten damit einen wesentlichen Beitrag gegen die Erderwärmung.

Doch die Fläche von Mooren ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts drastisch geschrumpft: Wie der Schweizer Wissenschaftler Jens Leifeld und Kolleginnen jüngst im Fachjournal »Nature Climate Change« (DOI: 10.1038/ s41558-019-0615-5) schrieben, haben die Menschen in den gemäßigten Breiten und der borealen Zone von 1850 bis 2015 rund 26,7 Millionen Hektar natürliches Moorland trockengelegt. In den Tropen waren es im selben Zeitraum - obschon der Prozess dort erst viel später begann - fast 25 Millionen Hektar. Ende des Jahrhunderts könnten es nach Berechnungen der Autoren rund 36 Millionen Hektar sein. Verrottet nun aber das sonst im nassen Boden liegende organische Material, wird dabei CO2 und das noch viel klimawirksamere Lachgas freigesetzt. So verwandelten sich die Böden dieser Ökosysteme bereits im Jahre 1960 global gesehen von Kohlenstoffsenken in Kohlenstoffquellen.

Berücksichtigung findet in der Studie auch das Treibhausgas Methan, das intakte Moore ihrerseits ausstoßen. »Es wirkt 30-mal so stark wie CO2, verbleibt allerdings nur etwas mehr als zwölf Jahre in der Atmosphäre«, reichert sich also nicht auf Dauer dort an, betont der Professor für Moorkunde und Paläoökologie an der Universität Greifswald Hans Joosten. Lachgas verweilt rund zehnmal solange dort, CO2 sogar bis zu 1000 Jahre.

Leifeld und Kolleginnen interessiert, welchen Anteil die Zerstörung der Moore am gegenwärtigen Klimawandel hat und wie eine Wiedervernässung der Flächen dem entgegenwirken kann. Ihren Berechnungen zufolge haben entwässerte Moore von 1850 bis 2015 zwischen 60 und 100 Gigatonnen an Treibhausgasen freigesetzt. Bei fortschreitender Zerstörung der tropischen Sumpfwälder wären es bis zur Jahrhundertwende 210 bis 285 Gigatonnen. 2015 machten die Emissionen entwässerter Moorflächen weltweit vier bis fünf Prozent der anthropogenen Treibhausgas-Emissionen aus.

Dabei stützt sich das Wissenschaftlerteam auf Daten früherer Studien. Das macht nach Ansicht von Thomas Kleinen vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie den besonderen Wert der Veröffentlichung aus: »Was bisher gefehlt hat, war eine Synthese, die die Einzelstudien zusammenfasst und beleuchtet, wie die Auswirkungen auf den gesamten Kohlenstoffkreislauf der Erde sind. Diese Lücke haben Leifeld und Kollegen geschlossen«, lobt er.

Die Gründe dafür, Moore trockenzulegen, sind vielfältig: In Europa etwa, um den Malariamücken ihren Lebensraum zu nehmen, um Flächen für Ackerbau, Forstwirtschaft und Städte urbar zu machen oder um den Torf als Brennmaterial zu nutzen. In Südostasien werden heute große Flächen von Sumpfwäldern in Ölpalmenplantagen verwandelt. »Zuerst werden lange Kanäle angelegt, vor allem um vermarktbare Hölzer abtransportieren zu können«, erklärt Susan Page, Koautorin der Studie. Der verbleibende Wald wird abgeholzt, die Bäume verbrannt. Anschließend wird ein enges Netz aus Entwässerungsgräben geschaffen und die Setzlinge gepflanzt. »Dabei wird der Wasserspiegel normalerweise auf einem Niveau von rund 70 Zentimetern unter der Torfoberfläche gehalten, wodurch große Mengen trockenen Torfs zersetzt werden und große Mengen Treibhausgase in die Atmosphäre entweichen«, berichtet die britische Wissenschaftlerin. Aber auch die Brände selbst stellen ein Problem dar, da sie sich oft unkontrolliert ausbreiten und ihrerseits große Mengen Kohlendioxid generieren.

Um die Pariser Klimaziele einhalten zu können, empfehlen Leitfeld und Kolleginnen dringend eine umfassende Wiedervernässung zerstörter Feuchtgebiete. »Damit Moore weltweit bis 2100 klimaneutral sind, müssten zunächst bis 2050 jährlich 1,48 Millionen Hektar wiederhergestellt werden und danach bis Ende des Jahrhunderts 0,16 Millionen Hektar pro Jahr«, so Leifeld. Ab Mitte des Jahrhunderts müssten also alle Moorflächen in den gemäßigten Breiten und der borealen Zone wiedervernässt sein, bis zur Jahrhundertwende auch fast alle tropischen Moore.

Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen würden die trockengelegten Moore dagegen einen beträchtlichen Teil der Treibhausgase produzieren, die wir, wenn wir das 1,5- oder 2-Grad-Ziel einhalten wollen, noch ausstoßen dürften. Bei einem angenommenen Restbudget von 400 bis 1600 Gigatonnen CO2-Äquivalenten wären das, wenn das Verschwinden tropischer Sumpfwälder anhält, bereits 10 bis 41 Prozent davon.

Während es recht einfach ist, etwa durch das Zuschütten von Entwässerungsgräben oder Anlegen von Dämmen den Wasserspiegel degradierter Moore wieder anzuheben, ist es eine weit größere Herausforderung, die zerstörten Ökosysteme, speziell in den Tropen, zu renaturieren. »Es handelt sich um einen langfristigen und ungewissen Prozess, Land, das heute für Plantagen genutzt wird, in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen«, gibt Susan Page zu bedenken. Eine besondere Schwierigkeit sieht die Wissenschaftlerin darin, Pflanzen zu finden, die auch bei einem höheren Wasserstand gedeihen. Erfolge meldet der Naturschutzbund NABU immerhin aus dem Oberen Vogtland oder aus Niedersachsen.

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