- Wissen
- Feuerwerk
»Laut wie ein Düsenflugzeug«
Dr. Steffen Schmidt über Silvesterknaller und Feuerwerksverbote
Silvester steht vor der Tür und damit das Feuerwerk. Böllerst du?
Nee. Ist mir zu laut. Raketen finde ich ja noch ganz niedlich, aber nicht Kanonenschläge und wie das alles heißt. Laut EU-Vorschrift dürfen die Dinger nur 120 Dezibel in acht Meter Entfernung laut sein. Aber es sind ja auch Leute unterwegs, die dir das Zeug direkt vor die Füße werfen. Da können es 140 Dezibel werden, lauter als ein startendes Düsenflugzeug.
Trotzdem ist der Absatz bei Pyrotechnik ungebrochen.
Der Verkauf stagniert auf hohem Niveau, aber im Vergleich zu DDR-Zeiten ist er schier unglaublich. In Deutschland gibt es nicht mehr viele Hersteller. Das meiste Böllerzeug wird importiert. Auch wenn oft von »Polenböllern« die Rede ist, kommt doch ein großer Teil aus China.
Dort hat die Feuerwerkerei ja auch ihren historischen Ursprung.
Ja, ein Witz der Geschichte. Die Chinesen sind nicht nur große Nachahmer, sondern haben auch allerhand erfunden. Sie haben damals die Technik entwickelt, Brandgeschosse, also eine Art Raketen, mithilfe von Schwarzpulver auf belagerte Städte zu schießen, um die hölzernen Verteidigungsanlagen in Brand zu setzen.
Also kein Brauchtum, sondern Militärtechnik.
Genau, und auf dem Wege dieser Technologie nach Europa kam irgendwo auf dem Balkan jemand auf die Idee, man könnte Holz- und später Bronzeröhren nehmen, eine Kugel und Pulver reinstecken und damit schießen.
Eine Art Granate?
Nein, erst mal Schusswaffen für Kugelmunition. Also Kanonen, Musketen und Ähnliches. Übrigens spielten in der Geschichte der Raketen zwei Siebenbürger eine Rolle. Der eine erfand im 16. Jahrhundert für Feuerwerkszwecke mehrstufige Raketen; der andere, Hermann Oberth, war einer der Begründer der Astronautik.
Wann wurde die Knallerei zum Volksbrauch?
Nicht vor dem 20. Jahrhundert. Bis dahin haben die Leute zwar auch Lärm gemacht, um Dunkelheit und Winter zu vertreiben oder das neue Jahr zu begrüßen. Aber erst mit der Industrialisierung wurden Knaller zum Massenprodukt und damit erschwinglich.
Wegen der Umweltbelastung fordert die deutsche Umwelthilfe Feuerwerksverbote. Wie soll man das kontrollieren und durchsetzen?
Das können wahrscheinlich nur hinreichend viele Polizisten. Schwierig, wie man beim Handyverbot für Autofahrer sieht. In Frankreich, wo in vielen Städten nicht geböllert werden darf, scheint es zu funktionieren. Freunde von uns, die Silvester mal in Marseille verbracht haben, fanden es sehr angenehm, dass es dort ein zentrales Höhenfeuerwerk gab, und das war’s. Die größere Umweltbelastung entsteht aber wohl bei der Herstellung der Knaller und Raketen.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!