Kirche wegen Beteiligung an Rettungsmission unter Druck
Der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm erhielt Morddrohungen, weil die Evangelische Kirche Helfer im Mittelmeer unterstützt
Immerhin: Heinrich Bedford-Strohm steht fest an der Seite von ehrenamtlichen privaten Hilfsorganisationen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat wiederholt die auch von Politikern betriebene Kriminalisierung der Seenotretter im Mittelmeer angeprangert. Und er hat die Kooperation der EU und also auch Deutschlands mit libyschen Milizen, genannt «Küstenwache», bei der Abschottung gegen Flüchtlinge und Migranten verurteilt. Deshalb und weil er an der Organisation einer Rettungsmission für Flüchtlinge im Mittelmeer beteiligt ist, hat Bedford-Strohm nun auch Morddrohungen erhalten. Die seien «recht konkret» gewesen, sagte er am vergangenen Wochenende in einem Zeitungsinterview, in dem es eigentlich um die Rolle der Internetmedien im gesellschaftlichen Miteinander gegangen war. Der Theologe, der zugleich Bischof der Evangelischen Kirche in Bayern ist, hatte darin angesichts des Trends zur anonymen Hetze Regeln für den Umgang mit Twitter, Facebook und Co. verlangt. Nachdem diese Äußerungen viele zustimmende wie verunglimpfende Kommentare ausgelöst hatten, äußerte sich der EKD-Ratchef erneut und erklärte: «Solche Drohungen gehören heute leider fast schon zur Normalität einer Existenz als öffentliche Person, die sich zu manchen Themen klar äußert.» Die Drohungen zeigen: Offenbar sieht so mancher Bürger rot, wenn er vermeintliche «Umvolker» am Werk sieht, die in seinen Augen massenhaft den Sozialstaat missbrauchende Individuen ins Land holen.
Mitte Dezember hatte Bedford-Strohm zusammen mit anderen Vertretern des Aktionsbündnisses «United4Rescue», dem mehr als 150 Organisationen - neben der Arbeiterwohlfahrt und Hilfsorganisationen sind das überwiegend Kirchengemeinden und Regionalverbände der Diakonie - und Einzelpersonen angehören, konkrete Pläne für Erwerb und Umbau eines Schiffes vorgestellt. Der Trägerverein «Gemeinsam Retten» will, dass die Mission möglichst ab dem Frühjahr von der Organisation Sea-Watch gestartet wird. Dafür soll ein zur Versteigerung stehendes Forschungsschiff vom Land Schleswig-Holstein gekauft werden. Die Initiatoren wollen es Mitte Januar ansehen.
An den diplomatisch-staatstragenden Formulierungen Bedford-Strohms war bereits bei der Vorstellung des Vorhabens im September zu merken, dass er sich auch kirchenintern auf vermintem Gelände bewegt. Darauf deutet auch der Antwortkatalog auf häufig gestellte Fragen zum Projekt auf der EKD-Webseite hin, ebenso wie die heftige Debatte darum, ob für die Finanzierung der Mission Gelder aus Kirchensteuereinnahmen verwendet werden dürfen. Die EKD teilt dazu mit: «Der Betrag für den Kauf des Schiffes soll vor allem über Spenden finanziert werden.» Kirchensteuern würden «nur in den Aufbau des Bündnisses, nicht aber unmittelbar in das Schiff gehen».
Im Zusammenhang mit den Drohungen betonte Bedford-Strohm einmal mehr seine Einigkeit mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der sich die Idee eines «europäischen Verteilmechanismus» zu eigen gemacht habe, «der das unwürdige Verhandeln über gerettete Flüchtlinge auf Schiffen überwindet». Zugleich sprach sich der EKD-Ratschef für eine Wiederaufnahme der staatlichen Seenotrettung aus. Das Allerwichtigste sei aber, Fluchtursachen zu bekämpfen. «Das tun wir als Kirchen seit Jahrzehnten.»
Zugleich fällt die Kritik der EKD an Kriegseinsätzen der Bundeswehr noch immer sehr verhalten aus. Auch die Destabilisierung fördernde Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik, die vor allem auf die Schaffung von Absatzmärkten in armen Ländern gerichtet ist, steht selten im Fokus evangelischer Mahnungen. In dieser Hinsicht wird das Oberhaupt der katholischen Kirche oft deutlicher. Das Erzbistum Paderborn finanzierte übrigens im Dezember die jüngste Mission« des Rettungsschiffs »Alan Kurdi« der Organisation Sea-Eye.
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