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»Gutes Neues« ist eher was Süddeutsches
Dr. Schmidt erklärt die Welt
Hatten wir uns eigentlich schon ein frohes Neues gewünscht?
Bin ich mir nicht sicher. Ich bin ja nicht unbedingt so der große Höfliche. Höchstens per E-Mail. (schaut nach) Aber doch, ja, ich habe mich sogar einer gehobenen Ausdrucksweise bedient: »... auch Dir sei ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr gewünscht.«
Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenschaftsredakteur des »nd« und der Universalgelehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort - und wenn doch nicht, beantwortet er eine andere.
Foto: nd/Ulli Winkler
Klingt wirklich nicht nach dir. Aber da sieht man es: Neujahrwünsche sind so eine Phrase, dass man sie überliest oder gleich vergisst. Ist doch irgendwie Quark: Wenn man kein »frohes Neues« wünscht, ist es unhöflich, und wenn man es tut, interessiert es nicht.
Das gilt ja für viele dieser Umgangsregeln wie die allseits beliebte »Wie geht’s«-Phrase, wo man in den meisten Ländern grundsätzlich »gut« antwortet, außer die Deutschen. Die fangen dann erstmal an, über all ihr Elend zu sprechen.
Seit wann sind Neujahrswünsche üblich?
Seit wir mit Kalendern und Jahren operieren. Die Römer haben auf jeden Fall schon das neue Jahr gefeiert. Auch die Chinesen feiern ihr Neujahr, wenn auch an einem anderem Termin, schon sehr sehr lange. Bei uns ist dieser Brauch im Vergleich noch nicht so alt, sondern eher Konsequenz der Säkularisierung. Ursprünglich waren die christlichen Feiertagsanlässe wichtiger als die eher weltlichen Angelegenheiten. Die Franzosen hatten den Kalender nach der Revolution ja ganz umgeschmissen und das Neujahrsfest sinnigerweise in den Weinmonat gelegt. Da passt »Prost Neujahr« dann wie die Faust aufs Auge.
Was man aber nur direkt um den Jahreswechsel herum sagt.
Prost oder Prosit. Genau. Sprachwissenschaftler der Uni Augsburg haben übrigens herausgefunden, dass es bei uns regionale Abweichungen gibt. »Frohes neues Jahr« oder nur »Frohes Neues« wünscht man sich von Hessen bis Schleswig. »Gutes neues Jahr« oder »Gutes Neues« - das ist eher was Süddeutsches. Und ein »Gesundes neues Jahr« was für Sachsen und Thüringen.
Ich dachte für Ältere.
Ja, das hat mich auch überrascht. Aber es ist wohl doch etwas Regionales.
Vielleicht wurden dort früher besonders viele krank? Wegen Bergbau oder so?
Das wäre doch dann aber in NRW auch so gewesen. Da aber herrscht der »Froh«-sinn.
Und bis wann muss oder darf man etwas zum neuen Jahr wünschen?
Es gibt da keinen Stichtag. Allgemein heißt es, Mitte Januar sollte Schluss sein. Aber Gott: Theoretisch, solange das bevorstehende Jahr noch länger ist als das abgelaufene ... Es ist eine Floskel, die im Kern so ernst gemeint ist wie »Guten Tag«. Wie vielen Leuten sagt man »Auf Wiedersehen« und denkt »Leb wohl«?
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