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»Und wir so: Hey, what?!«
Kann das Moviemento in Berlin, das älteste Kino Deutschlands, gerettet werden? Ein Gespräch mit Betreiber Wulf Sörgel
Seit wann arbeiten Sie im Moviemento?
Seit 2007. In dem Jahr war das Moviemento pleite, und als es ganz schlimm wurde, hat uns die damalige Betreiberin gefragt, ob wir das Kino retten können.
Das Moviemento in Berlin-Kreuzberg ist das älteste Kino Deutschlands. Es soll nach 113 Jahren schließen, weil der Vermieter die Immobilie verkaufen will. Die einzige Chance, das Kino zu retten, ist der Kauf der Etage, auf der es sich befindet. Das ist sehr teuer. Wulf Sörgel ist einer der Betreiber des Kinos, das unter anderem eine Crowdfunding- Kampagne gestartet hat: »Werde Moviemento Retter*in«.
Foto: privat
Wer ist »uns«?
Ich arbeitete damals beim Filmverleih »Neue Visionen«. Es stellte sich heraus, dass der Vermieter das Ding gerade zumachen wollte. Wir haben ihn dann überredet, das nicht zu tun, und haben neu angefangen.
Haben Sie in der Nähe gewohnt?
Nee, in Prenzlauer Berg, ich bin aus dem Osten.
Ist das Moviemento wirklich das älteste Kino Deutschlands?
Zumindest ist mir kein älteres bekannt. Im Frühjar 1907 wurde es eröffnet, im Herbst desselben Jahres startete in München das »Neue Gabriel«, aber das gibt es nicht mehr. Der Legende nach wurde das Moviemento von Alfred Topp eröffnet, dem Kreuzberger Gastwirt, auf den der Begriff »Kintopp« zurückgeht.
Hieß das Kino schon damals Moviemento?
Nein, das hatte ganz viele verschiedene Namen. Es ist auf einer Postkarte von 1911 zu sehen, da steht Kinematographen-Theater drüber. Dann hieß es lange Zeit Hohenstauffen-Lichtspiele, nach dem benachbarten Platz. In den 70er Jahren hieß es mal Tali, aber auch Das lebende Bild und schließlich ab 1984 Moviemento.
Es wurde damals in ein Programmkino umgewandelt?
Ja, die Betreiber waren sehr engagiert, besonders Tom Tykwer, der war erst Kartenabreißer und dann bis Mitte der 90er Theaterleiter. Er hat thematische Reihen veranstaltet und lange Nächte. Dann kam Klaus Kreiner und hat für den jungen deutschen Film viele Premieren und Previews organisiert, in Anwesenheit und in Diskussionen mit den Filmschaffenden. Daran haben wir 2007 angeknüpft und auch neue Programme entwickelt: pädagogisches Kino und Sprachlernkino.
Was ist das?
Pädagogisches Kino ist für Kinder. Entweder wir machen inhaltlich etwas zum Film oder zu den filmischen Mitteln wie Schnitt oder Kameraführung. Und Sprachlernkino ist Sprachen lernen mit Filmen. Vor der Vorführung werden den Sprachschülern wichtige Worte erklärt, die sie für den Film brauchen. Dann gibt es ein paar Sehaufgaben, und nach dem Film wird gemeinsam darüber gesprochen.
Haben Sie das Kino seit 2007 geändert?
Ja, wir haben renoviert, es für die Zuschauer angenehmer gemacht. Wenn man sich die alten Fotos anschaut, dann erkennt man es nicht wieder.
Wie hat sich die Umgebung des Kinos verändert?
Was sich am stärksten geändert hat, ist die Neuköllner Seite gegenüber. Das Gebiet galt damals als absoluter Problembezirk, 2006 hatte es den berühmten Brandbrief aus der Rütli-Schule gegeben, in dem die Lehrer erklärten, sie könnten so nicht weitermachen. Im Kino gab es Mitarbeiter, die bekamen von ihren Eltern gesagt, sie seien verrückt, ausgerechnet hier zu arbeiten. Inzwischen sind die Wohnungen dort sehr beliebt, und jeden Tag macht irgendein gar nicht so alter Laden zu. Es hat da eine Gentrifizierung im Schnelldurchlauf stattgefunden. Auf unserer Kreuzberger Seite dagegen hat sich der Kottbusser Damm fast überhaupt nicht verändert. Und der Graefe-Kiez nur sehr langsam und unauffällig. Aber natürlich weiß man, dass es dort auch jede Menge Privatisierungen von Mietwohnungen gibt - auch in unserem Haus, in dem das Kino ist.
Und jetzt soll das Moviemento raus - seit wann wissen Sie das?
Im Oktober standen auf einmal zwei Maklerinnen im Foyer und meinten, sie verkaufen hier gerade die Räume. Und wir so: Hey, what?!
Das Crowdfunding zur Rettung des Moviemento ist zu finden auf: www.startnext.com/moviemento
Wie lange läuft Ihr Mietvertrag?
Der geht aktuell bis September diesen Jahres.
Was soll mit der Etage, auf der das Moviemento ist, geschehen?
Ich habe keinen Schimmer. Was ich aber ziemlich sicher weiß ist, in dem Prospekt, den die Maklerinnen hatten, stand nichts von einem Kino. (lacht) Das heißt, ein möglicher Käufer kann überhaupt nicht gewusst haben, dass hier ein Kino ist. Offensichtlich geht es nur um Spekulation.
War der Eigentümer immer derselbe?
Nein, seit 2007 ist er der fünfte. Heutzutage verkauft man auch nicht mehr ein Haus, sondern eine Firma, der das Haus gehört, das ist steuerlich günstiger.
Reden Sie mit dem Eigentümer?
Ja, wir sind jetzt tatsächlich im Gespräch.
Sie wollen die Etage jetzt kaufen?
Es ist die einzige Chance. Es ist sehr teuer, aber es wird noch teurer, wenn wir es nicht tun. Es gibt immer Spekulanten, die bereit sind, zu zahlen. Deshalb muss man das Kino rauskriegen aus dem Markt, sonst ist es weg.
Und was kostet das?
1,86 Millionen Euro, mit Steuern, Notargebühren und so weiter sind es zwei Millionen. Und wir hoffen, dass vielleicht auch der Eigentümer einen Wert darin erkennt, dass das älteste Kino Deutschlands erhalten bleibt. Und wir hoffen, dass er irgendwie mit dem Preis runtergeht oder von mir aus auch Geld dazu gibt, das er dann wieder zurückbekommt.
Es ist wie im Film: Du hast ein Jahr Zeit für zwei Millionen Euro.
Ja, ein bisschen so ist es. Am Anfang war der Zeitpunkt noch völlig unklar, und diese Maklerinnen haben Zeitdruck aufgebaut. Aber jetzt reden wir mit dem Vermieter, und es ist klar, dass jetzt nicht plötzlich irgendein chinesischer Investor oder ein dänischer, oder ein französischer auftaucht, den wir dann gar nicht greifen können. Es gibt einen Freund von uns, der hat gesagt, ich gebe euch 200 000. Ein bisschen Geld haben wir auch noch selber, ungefähr dieselbe Summe.
Es fehlen ja nur noch 1,6 Millionen.
Wir reden auch mit Stiftungen, mit Florian Schmid, dem Baustadtrat von Kreuzberg, und mit Klaus Lederer, dem Kultursenator von Berlin und natürlich mit den Besuchern. Wir machen Crowdfunding und hoffen, dass es irgendwie insgesamt so viel wird, dass es geht.
So ein Kino kann ja schlecht umziehen.
Ein Kino kann nicht umziehen, das ist unmöglich. Die Verdrängung in Berlin ist ein allgemeines Problem, das nicht nur uns betrifft. Aber wir sind ein besonderes Symbol. Auch weil wir uns wehren.
Im Internet gibt es viele Solidaritätsvideos für das Moviemento. Sind das alles Handyfilme?
Teilweise. Der Schauspieler Benno Fürmann, der gegenüber aufgewachsen ist und der als Kind im Moviemento zum ersten Mal im Kino war, hat sein Statement offensichtlich mit einem Kameramann gedreht. Andere haben Handys benutzt. Wir haben jetzt schon mehr Videos, als gegenwärtig online sind. Wir machen immer englische Untertitel und erklären, wer da eigentlich redet. Es sind Besucher, Filmschaffende, Musiker und auch ein paar Politiker wie Klaus Lederer.
Sind Handyfilme nicht auch problematisch? Zerstört die Digitalisierung das Kino?
Nein. Sie verbilligt die Produktion von Filmen.
Aber man verdient jetzt weniger Geld damit?
Nicht zwangsläufig. Es gibt Fernsehsender, die verhalten sich wie Netflix oder Amazon und drücken die Preise. Aber auf der anderen Seite gibt es durch die Digitalisierung auch den emanzipatorischen Aspekt: Theoretisch kann heute jeder Filme machen. Man kann sich ein Auto kaufen oder einen Film drehen, das kostet ungefähr dasselbe, wenn man sich als Filmemacher geschickt anstellt.
Ist die Filmwirtschaft durch das Internet in derselben Krise wie die Musikindustrie? Sterben die Kinos aus?
Nein. In Berlin hat zwar das Cinestar mit dem Imax am Potsdamer Platz zugemacht, aber davor hat am Zoo das Lux mit neun Sälen aufgemacht. In Deutschland ist das Kinopublikum konstant seit 2002. Es gibt Länder wie China, Russland, Indien, da boomt das Kino.
Ich dachte, wenn die Videotheken verschwinden, dann ist das auch ein Zeichen dafür, dass es bald die Kinos erwischt?
Nein, das hat mit Kino nichts zu tun, sondern mit dem Fernsehen und seinen Ausläufern, den eingefrorenen Medien DVD und Blue-Ray. Die werden nicht mehr gekauft oder entliehen, weil man das nun im Internet tun kann. Die Endkunden geben dafür weniger Geld aus, das ist richtig. Aber sie gehen weiter ins Kino, so wie sie auch weiterhin auf Konzerte gehen, auch wenn fast niemand mehr CDs kauft.
Vorausgesetzt, die Kinos bleiben.
Ja. Wenn die Mieten ins Unermessliche steigen und Räume leer stehen für die Spekulation, dann muss man sich fragen: Will man das? Und wenn nicht: Wie wollen wir leben?
Die Kampagne zur Rettung des Moviemento ist auf YouTube zu sehen, das Crowdfunding zu finden auf www.startnext.com/moviemento
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