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Sehr konsequent
Ohne Blurb: »Katzensprung« von Uwe Preuss
Alles, was ich vorab über Uwe Preuss hörte, klang fesselnd. Jugend in Dresden, aufsässiger Geist, Lehre geschmissen, ans Theater will der Knabe. Zuerst mussten kleine Umwege bewältigt werden, wie der Job als Totengräber und später als Bockwurstkoch in der Bauarbeiterversorgung. Mitte der 80er Jahre dann von Dresden ab nach drüben, und endlich Schauspiel studiert. O. k., das hatte man ihm in der DDR auch angeboten, aber vorher: zur Nationalen Volksarmee. NVA war nix für Rebellen, eh klar.
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Uwe Preuss: Katzensprung. Fischer, 176 S., geb., 20 €.
Heute kennen alle Fernsehmenschen Preuss als Kriminalhauptkommissar Röder, er leitet das Rostocker Ermittlerteam im »Polizeiruf 110« um den bockigen Bukow. Den Chef gibt Preuss solide - ein netter Herr mit wenig Haar und viel Brille, der den Berserker Bukow machen lässt. Zurückhaltung ist auch eine Haltung.
Als Autor steht Preuss für soliden Angriff aus gesicherter Abwehr. Seine Helden sind die aus der eigenen Familie. Oma ist die Beste, Opa ein Hallodri. Die Eltern nehmen den jungen Uwe mit nach Brasilien - Abenteuerherz, was willst du mehr! Ob echt oder erfunden, ist eigentlich egal. Lakonische Sprache, kurze Sätze. Überragend auf den Punkt gebracht. Sehr konsequent. Ohne Belehrungen und Geschwurbel. Liebe wird gemacht. Es wird gestorben, gelebt.
Der Autor Preuss ist ein fetziger Außenseiter. Seine Protagonisten sind mehr oder weniger ehrliche Häute und Geradeaus-Typen. Die Blumenfrauen vom Friedhof trinken zum Frühstück ihr erstes Bier. Preuss’ Frauenfiguren stehen im Leben wie ’ne Eins! Die Lektüre von »Katzensprung« macht Spaß, der Text ist herrlich aus der Zeit gefallen. Erinnert an die Storys von Klaus Schlesinger oder Ulrich Plenzdorf. Ohne Schmus: »Einiges passiert. Nichts Besonderes. Wir bleiben im Gespräch.«
Er hat lange an den Sätzen gefeilt, muss ja nicht schreiben, um Geld zu verdienen. Besonders gefallen haben mir das Rummelplatz- und das Totengräber-Kapitel: »Ich stehe bis zu den Knien im Schlamm und dem Gerassel von Herrn Müller. Sehe ein Stück Becken, und das könnte ein Oberschenkelknochen sein. In den Stiefeln quietscht die Nässe zwischen meinen Zehen. Aber was soll’s, ich kann jetzt nicht die Schuhe wechseln. Hole mir Bretter, verschale die eingestürzte linke Seite und schaufele Herrn Müller wieder rüber. Auch die fetten Würmer. Mensch Erwin, muss das sein? Morgen kommt deine Frau!«
Literarische Moden und Trends interessieren Preuss nicht. Er schreibt, fertig! Und kein Blurb einer Betriebsnudel verschandelt das Cover. Er dichtet seinen Preuss-Blurb selber: »Alles Überflüssige raus. Keiner will alles erklärt bekommen. Auch Sinnlichkeit nicht.« Obwohl die Liebe natürlich vorkommt, wer kann schon ohne sie leben.
Genial die Geschichte, wie er der Liebe wegen zum Fasching über die ČSSR illegal in die DDR einreist, maskiert den Karneval mitnimmt: »Und schnell wieder raus. Später Akteneinsicht. Glück gehabt.«
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