Nagel für Nagel

Günther Uecker 90

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Er hämmerte Nagel für Nagel in ein Brett - und das Ergebnis wurde ein Kunstwerk. Entscheidend war die Regelmäßigkeit der Wiederholung, mit der Günther Uecker seine Nägel in den Untergrund hineintrieb. Der Nagel ist das Symbol des Werkzeuges schlechthin, - wer bauen will, braucht Nägel - aber auch des Leidens, wie die Geschichte der Kreuzigungen zeigt.

Ueckers rasterartig gestalteten Nagelbilder verwandelten sich bald in licht- und schattenspielhafte »Energiefelder«. Als eine Metapher für Verletzbarkeit und Aggressionsbereitschaft machen die Nägel sichtbar, was der Mensch dem Menschen antut. Mit den »Nagelporträts« kann Uecker seinen »inneren Zustand erkennen«, wie er sagt. Beim »Fadenstuhl« (1969) wiederum hängen Bindfäden den Stuhl herunter, verdecken ihn völlig, geben dem statischen Gegenstand eine fließende Form. Jedes Herstellen ist aber auch mit einem Akt der Zerstörung verbunden. Der Akt des Zerstörens ist gewissermaßen das Negativ des schöpferischen Aktes. So hat Uecker eine Axt in ein mit einem Nagelraster bedeckten Baumstamm eingerammt (»Lohengrin«, 1978). Sein Werk demonstriert das Verhältnis zwischen kreativem Tun und Zerstörung.

2013 konnte das Staatliche Museum Schwerin 14 Werke des gebürtigen Mecklenburger Malers und Objektkünstlers, der in Düsseldorf lebt und am vergangenen Freitag 90 wurde, erwerben. Anläßlich des runden Geburtstags ist es zu einer Neuformation der bedeutenden Schweriner Uecker-Kollektion gekommen, die Objekte aus den späten 1960er , frühen 1970er und 1980er Jahren bis zum Jahr 2001 umfasst und die Vielfalt des künstlerischen Werkes von Uecker reflektiert. Von den Nagelbildern über die Nagelskulpturen (»Spikes Prototyp«, 1972) und die Übernagelungen banaler Gegenstände (Stühle, Türfassungen u.a.) bzw. »Kulturfetische« (Piano, Televisor) oder Lichtobjekte ging Uecker 1965 zu kinetischen, klingenden Objekten über. Im »Elektrischen Garten« (1966) ragt dann ein überdimensionaler Nagel in einem vergitterten Gehäuse empor, während die installierten Hochfrequenzaggregate in regelmäßigen Abständen Blitze entladen.

Die aggressiv aufgeladenen Gegenstände sind Metapher für die Zerstörung von Natur und Kultur, des menschlichen Lebensraumes. Im »Tisch der Austreibung« sind die Nägel nicht mehr von außen in das Objekt eingeschlagen worden, sondern von der Rückseite, und zwar so, dass sie mit ihren Spitzen an der Sichtseite wieder austreten. Wenn man das Objekt wie ein Tor durchschreiten will, besteht Verletzungsgefahr - und das lässt unwillkürlich an die Austreibung der Händler aus dem Tempel in den Evangelien denken. Die motorbetriebene kinetische Arbeit »Sandspirale« (1972) hinterlässt Spuren im Sand, die einander ähnlich scheinen und sich trotzdem immer wieder verändern. Wiederholung und Veränderung, Vergänglichkeit und Gegenwärtigkeit werden erfahrbar. So ist es dann nur noch ein Schritt zum Aktionsraum, in dem sich alle Objekte und Medien zu einem »Totalspektakel« vereinen. Auf verschiedenen Ebenen sollen sie zusammen ein Porträt der Gesellschaft andeuten. Zu sehen ist all das in der Ausstellung »Uecker 90« bis zum 1.6. in Schwerin, wenn, wie angekündigt, am 20.4. das Museum wieder aufmacht.

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