Die kleinen Dinge der DDR

»Ost Places« von Andreas Metz ist ein reich bebildertes Buch über die verschwindenden Orte des Ostens

  • Nicolas Offenstadt
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Buch ist immer auch ein Gegenstand, und bei seiner Beurteilung spielt seine Materialität oft eine gewisse Rolle. So gesehen, ist das Buch »Ost Places« des Journalisten und Fotografen Andreas Metz ein wirklich schönes Objekt. Metz unternimmt darin eine fotografische Reise zu den Überresten der DDR in Ostdeutschland. Die zahlreichen, gut gemachten und inszenierten Bilder dominieren die sehr bescheidenen Texte, die auf Deutsch und auf Englisch erscheinen. Auch die Gliederung des Buches bietet keine Überraschung, folgt sie doch den traditionellen Kategorien: Produktion, Energie, Konsum, Armee, Verkehr, »Ikonen des Sozialismus« usw. Dieses Buch ist eine Rundfahrt durch Ostdeutschland, die sich an ein sehr breites Publikum richtet, denn der Autor möchte »ein Stück Alltagsgeschichte (...) verstehen« und verständlich machen. Aber »versteht« man Geschichte lediglich anhand von Bildern ohne weitere Quellen, Forschungen und Erklärungen?

Der Autor hat dieses Buch in einem »Wettrennen gegen die Zeit« geschrieben: »Dinge verschwinden, weil ein Gebäude abgerissen, ein Schild abgehängt, eine Inschrift übermalt oder eine Straße umbenannt wird. Ost Places werden zu Lost Places.« Als illustrierter Katalog ist »Ost Places« überaus reichhaltig. Man findet darin sehr bekannte Orte (Oberkommando der Sowjetischen Truppen in Wünsdorf, EKO Stahl in Eisenhüttenstadt oder die baugebundene Kunst von Halle-Neustadt usw.) und große und repräsentative Bauten und Gebäude (die Mauer oder das Hotel Panorama in Oberhof) - aber nicht nur.

Erfreulicherweise lenkt Metz die Aufmerksamkeit auch auf die vielen kleinen Dinge, die Details des Alltagslebens wie die Gullys, Steckdosen oder die Betonformsteine. So ergibt sich insgesamt ein gutes Panorama der erhaltenen Architektur, der Bauten und der baubezogenen Kunst der DDR. Jedoch erscheint die Darstellung manchmal zu wenig differenziert. Metz mischt in seiner Präsentation verlassene Orte, also »Lost Places«, mit sanierten und renovierten Gebäuden und sogar Neubauten. Er zeigt sowohl Orte, die noch sehr lebendig sind, als auch Bauten, die im Verfall begriffen sind und stellt so ganz unterschiedliche Typen von Kunst und Bau einander gegenüber.

Um all das richtig einzuordnen, ja zu »verstehen«, bedarf es eines breiten Hintergrundwissens. Die spärlichen Informationen, die Metz anzubieten hat, genügen nicht. Da ist beispielsweise auf einer ganzen Seite eine hohe Wand mit verschiedenen Gegenständen und (politischen) Bildern aus der DDR-Zeit zu sehen. Wer schon vor Ort war, erkennt sofort den Trödelladen von »Schuffi« in Frankfurt (Oder). Der Besitzer ist eine starke Persönlichkeit und fühlt sich der DDR-Epoche noch verbunden. Doch davon erfahren wir nichts, auch nichts über den Kontext der gezeigten Inschrift von Arbeitern der EKO, die entstand, als sie nach 1990 um ihren Job kämpften. Aber vielleicht darf man bei dem breiten Überblick, den das Buch gibt, auch nicht zu viel erwarten.

Mit den Herausforderungen, die das Thema »DDR« heute stellt und auch mit den verschiedenen Sichtweisen auf dieses Land geht der Autor sehr vorsichtig um. Nicht ohne Grund unterstreicht er am Schluss, wie sehr der nachlässige, ja verächtliche Umgang mit den Bauten, Denkmälern und anderen Stätten der DDR viele im Osten verbittert hat. Er ruft dazu auf, diesem Erbe mehr Aufmerksamkeit zu schenken, mehr darüber »nachzudenken« und zu diskutieren. Tatsächlich stößt man heutzutage in Ostdeutschland immer häufiger auf Initiativen zur Rettung oder zur Neuentdeckung eines Kunstwerks oder eines Gebäudes aus der DDR-Zeit. Zu diesen spannenden Entwicklungen leistet »Ost Places« von Andreas Metz gewiss seinen Beitrag.

Andreas Metz: Ost Places. Vom Verschwinden und Wiederfinden der DDR. Neues Leben 2019, 208 S., brosch., 19,99 €. Der Autor lehrt Geschichte an der Sorbonne in Paris und hat zwei Bücher über das »verschwundene Land« DDR veröffentlicht.

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