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AfD vor der Spaltung?
Parteichef Meuthen ruft zum Dialog über getrennte politische Formationen auf
Seitdem das Bundesamt für Verfassungsschutz vor knapp einen Monat den »Flügel«, die völkische Strömung in der AfD, zum Beobachtungsobjekt erklärt hat, streitet die Partei über notwendige Konsequenzen. Bei einer Vorstandssitzung hatte der Bundesvorstand zwar beschlossen, der »Flügel« solle sich auflösen und von dessen Protagonisten Björn Höcke und Andreas Kalbitz kam kein ernsthafter Widerspruch. Doch einfacher ist die Situation dadurch nicht geworden.
»Flügel«-Anhänger wären auch nach einer Auflösung der Struktur weiterhin AfD-Mitglieder. Deswegen beanstanden Kritiker der Partei, dass eine formale Auflösung der Struktur nicht helfen würde. Doch auch Funktionäre der Partei befürchten, dass eine Auflösung des »Flügels« nicht ausreicht - weil sie der AfD nicht weiterhilft. Die AfD könnte komplett zum Beobachtungsobjekt des Inlandsgeheimdienstes werden, da das Agieren der »Flügel«-Führer in der gesamten Partei beobachtet würde.
Für jene in der AfD, die sich selbst als bürgerlich-konservativ oder nationalliberal sehen, ist das ein Albtraum. Erst recht, wenn es sich um Beamte und Angestellte des Staates handelt. In einer vom Verfassungsschutz beobachteten Partei aktiv zu sein, könnte ihrer Karriere schaden.
Der seit Wochen tobende Streit erreichte in den letzten Tagen einen Höhepunkt. Die Fraktionschefs der Partei im Bundestag, Alexander Gauland und Alice Weidel, sowie Parteichef Tino Chrupalla riefen am Dienstag in einem Appell »Mit vereinten Kräften - Für unser Land!« zur Einheit der Partei auf. In der Coronakrise müsse die Partei zusammenhalten. Keine Partei in der Geschichte der Bundesrepublik sei so ausgegrenzt worden wie die AfD. Der Verfassungsschutz diene nur parteipolitischen Spielchen, um die AfD zu schwächen. Der »Flügel« habe sich vernünftig verhalten und sei zur Auflösung bereit. Nun müsse man »zur inneren Einheit der Partei« zurückkehren, Kräfte bündeln und eine »freiheitlich-soziale« Volkspartei werden.
Ganz andere Überlegungen äußerte Chrupallas Kovorsitzender Jörg Meuthen einen Tag später in einem Interview mit dem rechten Blog »Tichys Einblick«. In »nüchterner und unemotionaler Betrachtung« sei es so, dass der »Flügel« und der konservativ bis nationalliberale Teil der AfD, zu dem sich Meuthen zählt, sich gegenseitig Wählerstimmen kosten. Der »Flügel« sei für einen starken Staat, die Nationalliberalen hingegen nicht. Eine Spaltung der Partei könnte also für klarere Profile sorgen. Meuthen spekuliert dabei auf Wähler, die bisher der CDU oder der FDP nahestehen, und glaubt, dass etwa die Linke Stimmen an Höcke und den »Flügel« verlieren könnte. Wenn es um Themen wie die Asylpolitik gehe, seien sich beide Seiten der AfD einig. Ein Vorbild für Jörg Meuthen sind die rechten Parteien Lega und Fratelli d´Italia (Brüder Italiens) in Italien, die gut miteinander kooperieren und nicht durch interne Streitigkeiten Wähler abschrecken. Bis Jahresende wünscht Meuthen sich eine Klärung.
Theoretisch könnte Meuthens Idee für AfD-Mitglieder aus den unterschiedlichen Lagern attraktiv sein. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass es so leicht nicht ist. Bernd Lucke und Frauke Petry scheiterten mit ihren »bürgerlichen« Abspaltungen krachend. Gleiches gilt für André Poggenburg und seine nationalistische Abspaltung. Außerdem verfügt die AfD mittlerweile über gewachsene bundesweite Strukturen. Der »Flügel« wird die Partei sicherlich nicht verlassen und wieder bei Null anfangen. Und jeder »Bürgerliche«, der die Partei für eine Neugründung verlässt, muss bangen, dass ihm genug Parteimitglieder folgen. Realistisch scheint derzeit, dass Meuthen sich selbst ins Abseits gestellt hat, wenn er nicht bald, und dann zum wiederholten Male, vor Höcke und Co. einknickt. Politik gegen die völkischen Nationalisten ist in der AfD nur schwer durchsetzbar.
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