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Erste große Corona-Insolvenz
Karstadt Kaufhof hofft, mit einem Schutzschirmverfahren über die Runden zu kommen
Das erste deutsche Großunternehmen geht in der Coronakrise in die Insolvenz: Die Geschäftsführung des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof hat vor dem Amtsgericht Essen am Mittwoch Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens gestellt. Das Gericht hat dem bereits stattgegeben. »Das Schutzschirmverfahren ist der richtige Schritt in die Zukunft - aus Verantwortung für das Unternehmen, seine Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und auch für die deutschen Innenstädte«, erklärte Konzernchef Miguel Müllenbach.
Dieses Verfahren ist eine Sonderform im deutschen Insolvenzrecht. Dabei wird in vorläufiger Eigenverwaltung frühzeitig ein Insolvenzplan erarbeitet, um eine Sanierung des betreffenden Unternehmens zu erleichtern. Schutzschirm bedeutet, dass Karstadt Kaufhof in der Dauer des Verfahrens vor den Forderungen der Gläubiger geschützt ist. Ferner wird kein externer Insolvenzverwalter vom Gericht eingesetzt - der Konzern hat mit dem Rechtsanwalt Frank Kebekus selbst einen Sachwalter eingesetzt und lässt sich auch durch Arndt Geiwitz beraten, der einst die Insolvenz der Drogenmarktkette Schlecker leitete. Zudem wird ein Gläubigerausschuss über wichtige Fragen mitentscheiden.
Für Karstadt Kaufhof ist die Coronakrise zur denkbar ungünstigen Zeit gekommen. Warenhäuser haben wegen des Onlinehandels, der Einkaufscenter und veränderter Shoppinggewohnheiten seit langem Probleme. Nach der Insolvenz des ehemaligen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor in der Wirtschaftskrise 2009 und nach mehreren Eigentümerwechseln sowie der Fusion mit Kaufhof schien das Unternehmen in deutlich ruhigeren Gewässern zu fahren. Viel Geld wurde in die Neuausrichtung der Kaufhäuser investiert. Die Zukunft der rund 28 000 Mitarbeiter sowie von langjährigen Lieferanten und Dienstleistern schien gesichert. Vor knapp einem Jahr freute sich die Gewerkschaft Verdi über eine Rückkehr zum Flächentarifvertrag plus Standortsicherung bei Kaufhof.
Nun allerdings mussten am 18. März auf behördliche Anweisung hin alle 170 Warenhäuser bundesweit schließen. Lediglich 50 Lebensmittelabteilungen sind noch geöffnet. Karstadt Kaufhof rechnet mit einem Umsatzeinbruch bis Ende April von einer halben Milliarde Euro, während die meisten Kosten weiterlaufen. Lediglich Miete zahlt man ab April zunächst bis Juni nicht mehr.
Erstaunlich ist der Gang in die Insolvenz dennoch. Der Staat hat bekanntlich zahlreiche Hilfsmaßnahmen beschlossen, um dies zu verhindern. Tatsächlich verhandelte Karstadt Kaufhof über einen zinsgünstigen Kredit der staatlichen KfW im Umfang von 800 Millionen Euro. Das Problem: Dies läuft über die Hausbanken, die 20 Prozent des Ausfallrisikos tragen müssen. Die als Konsortialführer vorgesehene Commerzbank hat nach Darstellung von Karstadt »horrende Zinsen und Sicherheiten« verlangt, auch habe das Verfahren zu lange gedauert. Die von Anfang an umstrittene 20-Prozent-Regelung fällt der Bundesregierung und allen voran Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nun auf die Füße. Außerdem kann Karstadt ohne Neuverschuldung in die Zeit nach Corona starten, während staatliche Hilfen zu einem Schuldenberg führen, der viele überfordern könnte.
Die Insolvenz ist aber auch deshalb verwunderlich, da die Warenhauskette mit der Signa-Holding des österreichischen Milliardärs René Benko einen finanzstarken Eigentümer hat. Dieser sah sich genötigt, bei einer Aufsichtsratssitzung mitzuteilen, dass er dem Unternehmen weiter zur Seite stehe. Laut Karstadt Kaufhof hat er bereits 140 Millionen Euro frisches Kapital zugeschossen und will »zusätzliche Beträge in dreistelliger Millionenhöhe zur Verfügung stellen«.
Die von der Regierung verhängten Maßnahmen gegen die Corona-Epidemie treffen natürlich viele Branchen hart, aber den innerstädtischen Non-Food-Handel besonders, da hier womöglich alle Einnahmen wegbrechen. Der Onlinehandel kann auch nur einen Bruchteil auffangen. Vor Karstadt hatten bereits mehrere deutsche Tochtergesellschaften der Modekette Esprit ein Schutzschirmverfahren beantragt. Um die Gehälter der Mitarbeiter sicherzustellen, sollen teilweise auch staatliche Hilfsgelder zum Einsatz kommen.
Karstadt Kaufhof hatte vor einigen Wochen für weite Teile der Belegschaft Kurzarbeit beantragt. Am Mittwoch geschah dies auch für die 1300 Mitarbeiter der Zentrale. Der Gesamtbetriebsrat hatte lange auf staatliche Hilfe gehofft. In einem Brief unter anderem an Kanzlerin Angela Merkel wies er noch vor wenigen Tagen auf die bedrohliche Lage im Unternehmen hin. Natürlich bleibt unklar, was das Schutzschirmverfahren letztlich für die Beschäftigten bedeutet. Karstadt Kaufhof hatte bereits vor einigen Wochen mit Verdi eine Bezahlung unterhalb des Flächentarifvertrags ausgehandelt.
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