Die Starken wollen den Schwachen noch nicht helfen

Auch in Deutschland bekommt die Bundesregierung für ihre Ablehnung von Coronabonds immer mehr Gegenwind

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn die Eurogruppe am 7. April wieder per Videokonferenz über die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie berät, wird ein Streitthema wieder auf der Tagesordnung sein: Coronabonds. Die vom Virus besonders getroffenen Länder Spanien und Italien sind für die Einführung solcher Gemeinschaftsanleihen, die Regierungen in Deutschland, den Niederlanden und Österreich sind wie bei der Diskussion um Eurobonds während der Eurokrise weiterhin dagegen.

Dabei wird auch hierzulande der Ruf nach Coronabonds lauter, mit denen Europa gemeinschaftlich die wirtschaftlichen Kosten der Pandemie stemmen könnte. Mit solchen Anleihen »würden die Regierungen den Zusammenhalt im Euroraum demonstrieren und unmittelbar positiv auf die Erwartungen der Finanzmarktteilnehmer, der Unternehmen und der Konsumenten wirken«, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Prognose des DGB-nahen In--stituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Die Forscher schätzen, dass Deutschland bestenfalls mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung von 4,0 Prozent davonkommt. Für den Euroraum gehen sie von einem Minus von 4,4 Prozent aus. Italien und Spanien wird die Krise mit 4,9 und 4,7 Prozent vermutlich besonders hart treffen.

Zusammen mit anderen namhaften Ökonomen veröffentlichte IMK-Chef Sebastian Dullien jüngst in der »FAZ« einen Gastbeitrag, in dem die Einführung von Coronabonds gefordert wird. Das Pikante am Aufruf: An ihm schrieben nicht nur eher linke Ökonomen wie Dullien und der Ex-»Wirtschaftsweise« Peter Bofinger mit, sondern etwa auch der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther.

»Alle Länder müssen in der Lage sein, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Bevölkerung zu schützen, die Wirtschaft zu stabilisieren und sie nach der Krise schnell wieder zu beleben«, schreiben die Ökonomen. Damit dies für alle Mitgliedstaaten unabhängig von der Haushaltslage möglich ist, »muss Europa in dieser Krise finanziell zusammenstehen. Die Starken müssen den Schwachen helfen. Jetzt ist der Moment, wo die oft beschworene Schicksalsgemeinschaft Europa Flagge zeigen muss.«

»Es ist für uns nur schwer nachvollziehbar, warum die Bundeskanzlerin und der Vizekanzler so große Vorbehalte gegenüber diesem für die europäische Solidarität und Stabilität notwendigen Schritt an den Tag legen«, heißt es in einem anderen Appell, der dieser Tage in der »Zeit« erschien und der unter anderem vom Chef des Deuten Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, Jürgen Habermas und der Schriftstellerin Eva Menasse formuliert wurde.

Denn Ländern wie Italien und Spanien drohe eine neue Schuldenkrise, in der sie extrem hohe Risikoprämien an die Investoren zahlen müssten. Coronabonds könnten dem Abhilfe schaffen, weil Anleger sie als einen »sicheren Hafen« ansehen und sie daher trotz einer eher geringeren Rendite kaufen würden. Dies würde wiederum der deutschen Regierung das Schuldenmachen etwas verteuern, weil hiesige Anleihen als »sicherer Hafen« Konkurrenz bekämen.

Deshalb lehnt die Union gemeinsame Anleihen ab. »Coronabonds im Sinne einer europäischen Schuldenvergemeinschaftung kann es nicht geben«, sagte etwa CSU-Chef Markus Söder dem »Handelsblatt«. Möchtegern-CDU-Chef Friedrich Merz spricht sich mit dem alten Argument gegen die Gemeinschaftsanleihen aus, dass »Handlung und Haftung in einer Hand bleiben« müssten.

Der Koalitionspartner SPD ist bei der Frage hingegen gespalten. »Ich bin sehr dafür«, sagte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans im Deutschlandfunk. »Dass die Coronabonds am Ende aus meiner persönlichen Sicht und vieler anderer auch gerade in der Sozialdemokratie der richtigere Weg wären, bleibt unbestritten.« Sein Parteifreund, Bundesfinanzminister Olaf Scholz, lehnt sie jedoch ab, während die beiden Oppositionsparteien Grüne und Linke sich dafür aussprechen.

Unterdessen hofft Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire auf einen Kompromiss innerhalb der Eurogruppe. Statt Coronabonds auszugeben, schlägt er die Schaffung eines Coronafonds vor, mit dem die Wirtschaft nach der Krise wieder angekurbelt werden soll. Dieser soll von der EU-Kommission geleitet werden, zeitlich begrenzt sein und Anleihen ausgeben können.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -