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- Corona und Fußball
Niemand mag Drängler
Der Fußball könnte es sich mit seinem Ruf nach einer Sonderrolle mit vielen verscherzen, warnt Christoph Ruf
Am vergangenen Wochenende musste ich mit einem Familienangehörigen ins Krankenhaus. Bis wir wieder rauskamen, dauerte es, langweilig war es allerdings nicht. Denn da war diese Frau, die mit jammernder Tochter im Rollstuhl ankam, die etwa Achtjährige hatte Knieprobleme. Nachdem sich die Beiden unter viel Tamtam, Geheule und Gemeckere an der Rezeption angemeldet, hatten, heulte die Kleine weiter, lief aber plötzlich behände umher. Dem Geschluchze war zu entnehmen, dass sie »zum Papa« wolle. Das alles war im Vergleich zu dem, was Frau Mama aufführte, indes auch nach hundertfacher Wiederholung recht gut zu ertragen. Denn die Altvordere stand alle fünf Minuten auf und nervte irgendjemand vom Klinikpersonal mit der Frage, wann sie denn endlich drankämen. Die irritierten Blicke der etwa 15 Personen, die schon vor ihr da waren, ignorierte sie tapfer.
Sie ahnen, worauf ich hinaus will? Aber zuerst müssen Sie mir bitte glauben, dass es mir fernliegt, den Profifußball mit den zwei verhaltensauffälligen Möchtegern-Patientinnen zu vergleichen. Völlig. Lieber würde ich bis ans Ende meiner Tage jeden Abend 90 Minuten lang Leipzig gegen Hoffenheim als Geisterspiel anschauen, als noch einmal eine Stunde mit den Beiden im Raum verbringen zu müssen. Und der Profifußball ist kein rücksichtsloser eingebildeter Kranker. Er hat wirklich Probleme, für die er nichts kann, wie andere Corona-Opfer eben auch. Die Parallele ist eine andere: Wer sich vordrängeln will, muss damit rechnen, dass andere das ganz schön unsympathisch finden.
Das in etwa war auch der Tenor eines klugen Kommentars in einer Zeitung, die ich tags drauf las: Lieber solle der Fußball keine Sonderrechte, also keine baldige Wiederaufnahme der Spiele, einfordern und dafür bei einem allgemeinen Neustart der Gesellschaft so populär sein, wie es der Profifußball in Deutschland trotz aller Kritik ja über lange Jahre war.
Denn auch wenn die Profivereine es noch so vehement bestreiten: Sie fordern eine Extrawurst im Vergleich zu allen anderen Sportarten, die gar nicht daran denken dürfen, ihren Ligabetrieb wieder zu starten. Ein Sonderrecht auch gegenüber allen anderen Fußballspielerinnen und -spielern in den Ligen drei bis neun. Eine europaweite Extrawurst fordern sie obendrein, denn in Italien, Spanien, Frankreich oder England gibt es gerade viele Debatten - die über den Neustart des Profifußballs gibt es aus gutem Grund nicht. Von der gesellschaftlichen Dimension ganz zu schweigen.
Wer auf einer Corona-Station arbeitet, darf sich ebenso wenig testen lassen, wie die Lehrkräfte, die ab Montag wieder unterrichten sollen. Und da sollen ein paar Fußballer 20 000 Testeinheiten verballern dürfen?
Dass er so bald wie möglich wieder spielen lassen will, sei doch kein Verbrechen, hat Christian Seifert, der Chef der Deutschen Fußball-Liga, in der vergangenen Woche angemerkt. Aus den Worten sprach ehrliches Erstaunen. Und er hat ja recht: Wie die Lobby der organisierten Fanszenen, die sich vorher vehement gegen Geisterspiele positioniert hatte, hat auch die Lobby der Vereine jedes Recht, für ihre Interessen zu werben. Zumal sie die ja dankenswerterweise ehrlich benennt - es geht ausschließlich um die Fernsehgelder - und zumindest verbal einige Schritte auf die Kritiker zugegangen ist. Überraschend zerknirscht gibt man nun plötzlich zu, dass man die Nachhaltigkeit vernachlässigt, zu sehr auf »schneller, höher, weiter« gesetzt habe. Und plötzlich sind symbolische finanzielle Hilfen für die dritte Liga und den Frauenfußball drin.
Dass aber die Frage, ob nun in drei Wochen oder in drei Monaten wieder gespielt wird, stilisiert wird zur Frage, ob man mit sehr vielen Konkursen im Profifußball leben will, ist irreführend. Denn die Summen für die vierte Tranche der Fernsehgelder fließen sowieso, im Mai werden sie überwiesen. Wenn gespielt wird, ist das Geld eben für die Geisterspiele im Mai und Juni. Wenn nicht, ist es eine Vorauszahlung für die kommende Saison, in der dann dementsprechend weniger verdient wird.
Dann könnten die Klubs ab Juli übrigens wirklich zeigen, wie groß ihre Lernbereitschaft ist. Gegen 36 Profiklubs, die unisono entschlossen an die Spielergehälter gehen, ließe sich relativ wenig ausrichten. Und die Sympathie von 95 Prozent aller Fußballfans wäre den Klubs sicher. Drängler mag hingegen keiner - weder im Krankenhaus noch sonst wo.
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