Werbung

Aufregung im Kohlerevier

Klimaaktivisten befürchten die Räumung eines Camps und die Anbaggerung von Dörfern im Schatten der Coronakrise

Die Coronakrise dominiert das öffentliche Leben. Doch klimapolitische Konflikte gehen auch in dieser Zeit weiter. So überraschen derzeit Entwicklungen im Rheinischen Braunkohlerevier: In Morschenich, am Hambacher Forst, steht ein Camp von Klimaaktivisten unter Druck und am Tagebau Garzweiler II sehen Dorfbewohner, wie sich die Bagger nähern.

Das Hambi-Camp in Morschenich ist aus dem Konflikt um die Räumung des Hambacher Forsts im Herbst 2018 entstanden. Es soll ein Ort der politischen Bildung und des Rückzugs für Aktivisten sein. Das Camp selbst steht auf dem Grundstück einer Frau aus Morschenich, die nicht an den Energiekonzern RWE verkauft hat. Trotzdem gibt es jetzt ein Problem, denn das gegenüberliegende Grundstück gehört RWE und auf diesem parken Besucher des Camps ihre Autos. Andere Menschen leben dort in Wohnmobilen oder Transportern. Seitdem klar ist, dass Morschenich nicht für die Braunkohle abgebaggert wird, entstand dort quasi ein Wagenplatz.

Damit soll jetzt aber Schluss sein. Anfang April fanden sich Zettel von RWE an den Fahrzeugen, dass die Fläche geräumt werden müsse - mit einer Frist bis zum 14. April. Bewohner des Hambi-Camps kontaktierten daraufhin den lokalen Bürgermeister Georg Gelhausen. Der verständigte sich mit RWE auf eine Fristverlängerung bis zum 30. April. Gelhausen hat kein Interesse an einer Eskalation, will keinen größeren Polizeieinsatz. Trotzdem spiele er »ein falsches Spiel«, wie das Hambi-Camp kritisiert. Auf das Camp werde Druck aufgebaut. Erst solle das Camp und dann die restlichen Einwohner Morschenich verlassen, damit dort ein »Dorf der Zukunft« entstehen könne, so die Befürchtung.

Ein Dorf, das tatsächlich bald der Vergangenheit angehören soll ist Keyenberg, am Tagebau Garzweiler II. Die Bewohner der von Abbaggerung bedrohten Dörfer am Tagebaurand beobachteten in den letzten Tagen, wie die Braunkohlebagger immer näher kamen. Einer steht nur noch 200 Meter vom Keyenberger Ortseingangsschild entfernt. David Dresen vom Bündnis »Alle Dörfer bleiben« befürchtet, dass RWE die aktuelle Situation, in der alle über Corona sprechen, dafür ausnutzt, um »an die Dörfer ranzubaggern«. Deswegen hat sich das Bündnis entschlossen, am Donnerstag eine Menschenkette zu veranstalten - natürlich Corona-konform, mit Abstand und höchstens 50 Teilnehmern. Doch das Ordnungsamt der Stadt Erkelenz hat die Kundgebung verboten. Sie argumentiert, die Veranstalter könnten nicht sicherstellen, dass nur 50 Menschen kommen und diese den nötigen Abstand halten. Das Bündnis klagt nun gegen die Entscheidung. »Shoppen erlaubt, demonstrieren nicht? Wir können bei unserer Menschenkette auf der Landstraße viel leichter Abstand halten, als in den Kaufhäusern, die nun wieder öffnen dürfen«, sagt David Dresen. Er bliebe am Donnerstag eigentlich lieber Zuhause, dass das jedoch nicht möglich ist, läge daran, dass RWE und die Landesregierung nichts dazu beitrügen die Situation zu beruhigen.

Bei RWE sieht man das anders. Dass sich der Bagger dem Ort Keyenberg nähere, entspreche den geltenden Genehmigungen. Dem Vorwurf, man würde »beschleunigt« vorgehen, widerspricht ein Sprecher des Energiekonzerns. Am Hambi-Camp in Morschenich will man zunächst abwarten und am Donnerstag eine Neubewertung der Räumungs-Situation vornehmen, heißt es. Der RWE-Chef Rolf Martin Schmitz beschwerte sich in der »Rheinischen Post« derweil erneut über die Situation im Hambacher Forst. So gäbe es dort wieder 80 Baumhäuser, die von »Antidemokraten« bewohnt würden, denen es nicht um den Schutz des Waldes gehe. Mitarbeiter würden immer wieder »attackiert oder angepöbelt«, so Schmitz. Warum RWE nicht wieder räumen lässt? »Das Land, das dies anordnen müsste, hat in der aktuellen Corona-Krise etwas anderes zu tun. Wir setzen auf Befriedung der Lage mit der Zeit«, erklärte Schmitz. Trotz Corona-Einschränkungen und Kohlekompromiss gibt es also noch allerhand Konfliktpotential im Rheinischen Revier.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.