Covid-19 bedroht honduranische Aktivisten

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte ruft zur Freilassung von gefährdeten Gefangenen auf

  • Martin Reischke
  • Lesedauer: 4 Min.

Covid-19 ist eine Gefahr für die ganze Bevölkerung - doch einzelne Gruppen sind besonderen Risiken ausgesetzt, darunter die Insassen von Gefängnissen. Aufgrund von Platzmangel können sie in vielen Ländern nicht den nötigen Sicherheitsabstand einhalten, außerdem müssen sie häufig unter äußerst äußerst prekären hygienischen Bedingungen leben.

Bereits im März hatte deshalb die ehemalige chilenische Präsidentin Michelle Bachelet, die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, die Regierungen weltweit dazu aufgerufen, besonders gefährdete Inhaftierte oder solche mit nur geringen Haftstrafen nach Möglichkeit vorzeitig zu entlassen. Die honduranischen Behörden haben mit der Umsetzung des Vorschlags bereits begonnen, erste Inhaftierte wurden entlassen. Auch politische Häftlinge sollten nun zügig aus der Haft entlassen werden, fordern deren Unterstützer*innen - zum Beispiel jene acht Männer, die gegen die Errichtung einer Eisenoxid-Mine im Norden des Landes protestiert hatten und deshalb schon seit Monaten in Untersuchungshaft sitzen.

Die honduranischen Behörden sehen die acht Männer als Kriminelle, die die wirtschaftliche Entwicklung des Landes behindern. Ihnen wird schwere Brandstiftung sowie Freiheitsentzug des Mitarbeiters eines Sicherheitsunternehmens vorgeworfen.

Sie selbst weisen die Anschuldigungen zurück. Für ihre Unterstützer*innen sind sie Bürger, die kriminalisiert werden, weil sie grundsätzliche Rechte wie das Recht auf Wasser und eine intakte Umwelt verteidigen. Seit Jahren protestieren sie gegen den Bau einer Eisenoxid-Mine nahe der Gemeinde Guapinol, weil sie dadurch die Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen in Gefahr sehen. Schon während der Vorarbeiten für die Mine sei es zur Verschmutzung der lokalen Flüsse gekommen, so die Aktivisten.

In einem Brief wenden sich nun drei Bundestagsabgeordnete von der Linkspartei und den Grünen an das Menschenrechtssekretariat der honduranischen Regierung sowie den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes und die Mitglieder des Berufungsgerichts. In dem Schreiben kritisieren sie, dass der Untersuchungshaft der acht Menschenrechtsverteidiger jegliche rechtliche Grundlage fehle und diese somit eine willkürliche Maßnahme sei, die weder internationalen Menschenrechtsstandards noch dem Recht auf einen fairen Prozess entspreche. Zudem machen sie darauf aufmerksam, dass »vor dem Hintergrund der aktuellen Covid-19-Gesundheitskrise die Menschenrechtsverteidiger im Gefängnis großen Risiken ausgesetzt sind, weshalb es außerordentlich dringend ist, dass sie aus der Untersuchungshaft entlassen werden können«.

Mit dem Brief greifen die deutschen Abgeordneten ein Schreiben an die honduranische Regierung vom September vergangenen Jahres auf, in dem sie diese dazu aufforderten, die Einhaltung der Menschenrechte im Land zu garantieren. Während eines Besuchs in Honduras im vergangenen Herbst trafen sich einige der Abgeordneten mit Repräsentanten des Menschenrechtssekretariats der honduranischen Regierung. »Sie haben uns die Schutzmechanismen für Menschenrechtsverteidiger vorgestellt«, erinnert sich Heike Hänsel von der Linkspartei, die beide Schreiben unterzeichnet hat. »Als wir allerdings selbst mit verschiedenen Aktivisten sprachen, haben wir gemerkt, dass diese Mechanismen offenbar nicht funktionieren, da staatliche Kräfte wie die Polizei oder das Militär oft selbst Teil des Problems sind.«

Die Lage von Menschenrechtsverteidiger*innen ist in Honduras besonders kritisch. Nach Angaben der internationalen Nichtregierungsorganisation »Global Witness« wurden allein zwischen 2010 und 2017 mehr als 120 Umweltaktivist*innen ermordet. Seit einigen Wochen kommt zu diesem Risiko noch die Gesundheitskrise durch Covid-19 dazu.

Auch Edy Tábora, der Anwalt der inhaftierten Aktivisten, sieht deren Bedingungen in der Haft als äußerst problematisch an: »Wenn die Versorgung durch das öffentliche Gesundheitssystem schon für uns, die wir in Freiheit leben, katastrophal ist - wie soll es erst für die Inhaftierten sein, die so stark auf die Hilfe ihrer Familien angewiesen sind, wenn es um die Versorgung mit Essen, Medikamenten und Wasser geht?«, fragt Tábora.

Die Forderung nach vorzeitiger Haftentlassung durch UN-Hochkommissarin Bachelet weckt nicht nur bei den Aktivisten aus Guapinol Hoffnung. So hat die honduranische Indigenen-Organisation COPINH erst vor Kurzem davor gewarnt, dass von den neuen Regelungen auch einige der Täter profitieren könnten, die wegen des Mordes an Berta Cáceres erst Ende vergangenen Jahres zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Cáceres war Gründerin und langjährige Koordinatorin von COPINH. Als international bekannte Umweltaktivistin hatte sie unter anderem gegen die Errichtung des Wasserkraftwerks Agua Zarca gekämpft, das die Lebensgrundlagen des indigenen Lenca-Volkes bedroht. Wegen ihres Engagements wurde sie im März 2016 ermordet.

In einer aktuellen Stellungnahme verurteilt die Organisation COPINH mögliche Pläne der honduranischen Behörden, zwei der wegen des Mordes an Cáceres verurteilte Männer aufgrund der Coronakrise freizulassen. Die Organisation will erfahren haben, dass die Anwälte der beiden Männer deren Freilassung »aus gesundheitlichen Gründen« fordern.

Inwieweit die honduranischen Behörden diesen Forderungen nachkommen könnten, ist allerdings nicht klar. »Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die Behörden so weit gehen würden«, sagt der honduranische Menschenrechtsexperte Joaquín Mejía (siehe Interview). »Allerdings haben wir es mit einer autoritären Regierung zu tun, da ist letztlich alles möglich.«

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