Philharmoniker machen »heiße« Musik
Forscher haben jetzt die Energie beim Musizieren sichtbar gemacht. Von Jörg Schurig
Dass es bei klassischer Musik derart »heiß« zur Sache geht, hätte der Dresdner Ingenieur André Schlott nicht für möglich gehalten. Unlängst war er mit einer speziellen Infrarotkamera bei den Berliner Philharmonikern zu Gast, um die Erwärmung ihrer Instrumente beim Spiel aufzunehmen. »Mir war klar, dass sich durch Atemluft oder Anfassen ein Instrument erwärmt.« Dass es aber zu einem Temperaturunterschied von zehn Grad komme, das habe ihn überrascht, räumt Schlott ein.
Schlott ist Mitarbeiter des Dresdner Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung und leitet hier den Geschäftsbereich Energie und Thermisches Management. Schlotts Team erfasste die Oberflächentemperatur von Instrumenten vor, beim und nach dem Spiel. Die dabei entstandenen Thermogramme zeigen, welche Temperaturen an welchen Stellen der Instrumente entstehen. »Blechblasinstrumente nehmen Wärme schneller auf, geben sie aber auch rascher wieder ab. Holzblasinstrumente dagegen nehmen Wärme langsamer auf, halten diese dafür aber länger«, erklärt Institutssprecherin Cornelia Müller. So erwärmt sich bei einer Raumtemperatur von 20 Grad das Mundstück einer Trompete auf bis zu 30 Grad Celsius, das Griffbrett einer Violine auf bis zu 25 Grad.
Das wissenschaftliche Auftragswerk der Berliner Philharmoniker ist freilich kein Selbstzweck und dient vor allem der Werbung. »Wir versuchen seit vielen Jahren von der konventionellen Bildsprache in der klassischen Musik wegzukommen«, erklärt Natalie Schwarz, Leiterin Marketing bei den Philharmonikern. »In der kommenden Saison soll es um das Thema Energie gehen - auch mit Blick auf unseren neuen Chefdirigenten«, betont Schwarz. Die besondere Ästhetik der Wärmebildkamera könne eine neue Perspektive auf Musik ermöglichen.
Schlott würde am liebsten gleich weiterforschen und Klangveränderungen als Folge der Erwärmung untersuchen. »Es ist bekannt, dass sich Materialien mit Temperatur verändern, ausdehnen oder zusammenziehen. Wenn ein Bogen an einer Posaune durch Ausdehnung ein oder zwei Millimeter länger wird, könnte sich das auf den Klang auswirken.« Dass Instrumente beim Wechsel vom Kalten ins Warme erst einmal temperiert werden müssen, ist bekannt. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.