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Rechter Terror vor den Augen des Gesetzes

Innensenator Andreas Geisel spricht mit Neuköllnern über die von Neonazis verübte Anschlagsserie im Bezirk

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 3 Min.

Über 70 Anschläge zählt die Serie rechtsextremer Taten in Neukölln - und ein Ende ist nicht in Sicht. Seit 2016 kommt es immer wieder zu Brandanschlägen und rechten Schmierereien. Betroffen sind Lokalpolitiker, Neuköllner mit Migrationshintergrund oder Aktivisten gegen rechts. Verurteilt wurde bislang noch niemand. Erst in der vergangenen Woche sind erneut zwei Läden in der Wildenbruchstraße mit Nazi-Symbolen beschmiert worden.

Dass es in den letzten anderthalb Jahren immerhin keine unmittelbaren Anschläge auf Personen mehr gab, wertet Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) als Erfolg. Das liege auch an dem erhöhten Fahndungsdruck, sagte Geisel am Dienstagabend bei einem virtuellen Stammtisch seines Parteikollegen und Neuköllner Bundestagsabgeordneten Fritz Felgentreu. »Wir wissen, wer die Täter sind«, so Geisel. Warum sind sie dann noch auf freiem Fuß? »Es nervt mich zutiefst, dass wir nach vier Jahren intensiver Ermittlungsarbeit noch keinen Beweis vorlegen können«, so Geisel. Laut Berliner Verfassungsschutzbericht hat die rechtsextreme Szene in Neukölln zwar eine »relativ überschaubare Größe«. Ein Großteil ihrer Angehörigen sei aber »erheblich radikalisiert und gewaltbereit«.

Kritik an der Berliner Polizei wies Geisel auch am Dienstag wieder zurück. Letzte Woche war bekannt geworden, dass ein Polizist Informationen über den Terroranschlag 2016 auf dem Breitscheidplatz unmittelbar nach der Tat in einer rechten Chat-Gruppe verbreitet hatte. Mitglied der Chat-Gruppe soll auch Tilo P. gewesen sein, ein Verdächtiger der Neuköllner Anschlagsserie. Geisel bestätigte zwar, dass es auch bei der Polizei Personen mit rechtsextremistischem Gedankengut gibt. »Ein rechtsextremistisches Netzwerk, das sich abstimmt und aktiv die Ermittlungsarbeit der Polizei sabotiert, haben wir aber nicht gefunden«, erklärte der Innensenator.

Vor allem der Fall Ferat Koçak hatte in der Vergangenheit zu Kritik an der Berliner Polizei geführt. Der Linke-Politiker war 2018 Ziel eines Anschlags geworden, bei dem sein Auto im Carport des elterlichen Wohnhauses in Brand gesetzt wurde. Die Polizei hatte zuvor bereits Informationen über einen möglichen Anschlag gehabt, Koçak aber nicht gewarnt. Innensenator Geisel erklärte das mit dem Quellenschutz des Verfassungsschutzes, der verhindert haben soll, dass die Polizei die geheimdienstlichen Informationen nutzten und einschreiten konnte. Die Praxis, Quellenschutz über Opferschutz zu stellen, sei auf Weisung des Innensenators mittlerweile aufgehoben.

Fritz Felgentreu, der zu dem virtuellen Stammtisch eingeladen hatte, drückte vor allem Anteilnahme für die Opfer rechter Anschläge in seinem Wahlkreis aus. »Man kann sich zwar neben die eingeworfene Fensterscheibe stellen oder den Buchhändler besuchen und für den Ersatz des zerstörten Autos spenden, aber die betreffende Person sieht sich ja weiter im Fadenkreuz dieser Terroristen«, so der Bundestagsabgeordnete.

Die Betroffenen selbst fordern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der sich mit der rechtsextremen Gewaltserie und möglichen Verstrickung der Polizei beschäftigen soll. Die Regierungskoalition ist sich darüber uneins. Vor allem die SPD hat sich stets dagegen ausgesprochen. »Ein Untersuchungsausschuss in dieser Legislaturperiode führt nicht zum Erfolg, sondern behindert eher«, meint der SPD-Politiker Geisel. Dieser könne die polizeilichen Ermittlungen nicht ersetzen und würde darüber hinaus Personal binden, das sonst für die Strafverfolgung eingesetzt werde, begründete er seine Ablehnung. Stattdessen will der Innensenator nach der Sommerpause eine unabhängige Expertenkommission einsetzen, die die Ergebnisse der mit den Anschlägen betrauten Sonderermittler noch einmal überprüft. Den Betroffenen der rechten Terrorserie reicht das nicht. Sie wollen weiter Druck machen.

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