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Klebrig vermischt
Jenseits der Hetero-Norm: Die Filmreihe »rbb Queer« geht in die dritte Runde
Trotz der Coronakrise ist ja auch noch Sommer. Trotz Systemrelevanz gibt es noch so etwas wie Kunst, trotz Abstandsregeln ein Kino und trotz der düsteren Gedanken, die sich dieser Tage nur allzu leicht aufdrängen, etwa, wenn die prickelnde Hitze auf der Haut zum Eincremen mahnt und der süße Blütenduft das Wort »Angstblüte« ins Gedächtnis zerrt, denn die Bäume bekommen schon seit einigen Jahren zu wenig Wasser, so dass sie panisch versuchen sich fortzupflanzen - ... bei all dem fällt uns doch gelegentlich wieder ein, dass Blüten und Fortpflanzung oder doch zumindest alles an der Fortpflanzung (außer der eigentlichen Fortpflanzung) früher, also sehr viel früher einmal auch so verlockend schienen, wie diese Blütenpracht.
Nein, schwülstig wollen wir jetzt aber nicht werden angesichts der Filmreihe »rbb Queer«, die am 18. Juni ins dritte Jahr geht. Gesendet werden die Filme immer donnerstags, leider durchgängig sehr spät. Aber wozu gibt es Mediatheken. Daran haben wir uns ja nun alle gewöhnt. Vor der Ausstrahlung erfolgt jeweils eine kurze Vorstellung und Einordnung der Filme durch den Filmkritiker Knut Elstermann und dann dürfen wir uns freuen über filmische Erinnerungen an alles, was über den Tag hinausgeht.
Stellvertretend für das durchgängig hochklassige Programm aus sieben internationalen queeren Filmen sei hier vom Eröffnungsfilm der Reihe geschwärmt: »Siebzehn« von Monja Art. Die österreichische Produktion ist gleich besonders gut geeignet, daran zu erinnern, dass nicht alles schlecht ist auf der Welt. Girl meets girl im Internat - und ist nicht für uns alle die Welt zurzeit oder irgendwie immer ein einziges abgeschlossenes Institut, in dem die Mädchen in Uniform keine Romy Schneiderschen Verwirrflirtpartnerinnen sind, sondern Polizistinnen, die … schon wieder diese Abschweifung.
Na, das muss daran liegen, dass es auch »Siebzehn« auf bravouröse Weise schafft, nicht nur das leicht Verwirrte und Dauerverplante der späten Teenagerjahre erlebbar zu machen (inklusive zur Abwechslung einmal völlig unnervig eingesetzter Handy- und Messengereinblendungen), sondern auch im Gewöhnlichen schwelgt, um dabei das Immerwiederneue und Besondere aufzuspüren: Girl meets girl, das aber schon mit einem Boy zusammen ist, so dass auch das verknallte girl erst einmal einen boy gewissermaßen mitnimmt, bevor ein anderes, kontaktfreudiges girl weniger Liebesbedenken hat, was zum ganz großen Drama mit dem wieder anderen girl führt - was indes in der Filmwelt keineswegs zum Augenrollen reizt, sondern zum »Hach« und »Ach« und »Boah« und dem Griff in die Chips-tüte. Wo man so sehr spät in der Nacht vielleicht doch noch einmal die Hand der Partnerperson anstupst und denkt: Fettige Kartoffelspalten sind auch nicht alles, hm, Spalten, hm, klebrig ...
Und dann kommen schon wieder diese Abschweifungen und schwülstig aufbrandenden Momente, die wir derzeit mehr als alles andere nötig haben. Danke, Rundfunk Berlin Schwülstigaufbrandenburg für die sehenswerte Reihe, die Angstblüte hin oder her, doch sehr schön duftet für die Augen, wenn wir so schwülstig ... ja, dürfen wir.
»120 BPM« verführen zum Tanzen. »Beach Rats«, »La belle saison«, »Heute gehe ich allein nach Hause«, »Viva«, »Lichtes Meer«, »Rafiki« - zum Teil in deutscher Erstausstrahlung. Leute, wenn das mal kein Sommer ist, wenn sich da nicht das Leben regt gegen alle Widerstände - queer eben -, dann weiß ich aber auch nicht. Stay the fuck at home weiterhin und guck spät am Donnerstagabend mit einem kühlen Prickelgetränk und möglichst einer oder mehreren attraktiven Personen in Reichweite - auf dass es sich rund um irgendwelche Kartoffeln und Spalten hübsch klebrig vermischt, wie es das Kino eben immer schon am Besten hingekriegt hat.
»rbb Queer«-Filmreihe vom 18. Juni bis 6. August immer donnerstags.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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