Im Wellenbad der Weltkrisen
Bitterböse Börsencrash-Serie »Black Monday« auf Sky - heillos überdreht, aber sehr wahrhaftig
Auch wenn der aktuelle Crash aller Märkte und Börsen außergewöhnlichere Ursachen hat als ökonomische Gesetzmäßigkeiten, gilt es als wissenschaftlich erwiesen, dass Volkswirtschaften in Zyklen auf- und abschwingen wie riesige Pendel. Auch der Schwarze Freitag vom Oktober 1987 war daher nur das tiefste Wellental einer dauerbewegten See. Anders als der gleichfarbige Donnerstag 58 Jahre zuvor jedoch führte er nicht über Nationalsozialismus, Holocaust und Weltkrieg in ein neues Zeitalter, sondern ließ den Kapitalismus nach kurzem Chaos noch entfesselter weitermachen. Geschüttelt, nicht abgeschmiert also. Zumindest real.
Fiktional dagegen sorgte der »Black Friday« für ein Durcheinander biblischen Ausmaßes, das offenbar sogar die neuronalen Netze der Verantwortlichen durcheinanderbringt. Mo Monroe etwa, in Staffel 1 Strippenzieher des Zusammenbruchs, zieht sich zum Start der zweiten Koks vom Lauf einer Knarre, mit der er sich den Weg nach Miami freischießt, wo sein Komplize Keith in Hotpants Drogen an schwule Strandschönheiten verhökert.
Klingt bizarr, ist bizarr - wie die folgenden der neuen zehn Folgen »Black Monday« auf Sky. Nachdem das ungleiche Duo die Kernschmelze des globalen Finanzsystems ausgelöst hatte, sind sie nämlich auf der Flucht vorm FBI im sonnigen Florida gelandet. Doch während Mo als kiffender Strandhotelgitarrist ein ruhigeres Leben genießt, als ihm das Reality TV der späten 80er in Form des koksenden Pistoleros andichtet, gerät Quasselstrippe Keith mit dem örtlichen Drogenkartell aneinander. Das entlädt sich Ende der dritten Folge im Showdown biederer Kassengestellkiller, sprechender Milchtüten, deutscher Rollschuhfahrer und einem Kaugummispender als Countdown der wildesten Schießerei jenseits von Tarantino. Doch der Reihe nach.
Zuvor hat ihre Expartnerin Dawn als einzige des Broker-Trios auch beruflich überlebt und sprüht vor Tatendrang. »Ich bin eine schwarze Frau in einem rein weiblichen Maklerbüro 1988«, brüllt sie ein Mitglied ihres Teams hungriger Aktienhändlerinnen an, das Dawns ersten Deal »unmöglich« nennt. »Unmöglich?«, sagt Dawn und greift sich in den Schritt, »Unmöglich kann mich mal lecken …« Nun, »Impossible can suck my dick« klingt im englischen Original verglichen mit der deutschen Übersetzung so krass wie das ständige »Fuck« statt »Verdammt«. Aber auch synchronisiert wird deutlich, dass »Black Monday« den Ego-Hedonismus der 80er nun noch etwas durchgeknallter nachstellt.
Wobei der retrofuturistische Furor, mit dem die Showrunner Jordan Cahan und David Caspe erneut Nostalgie und Zukunft mixen, oft drüber ist. Wie Anfang 2019 verlieren sie sich auch Mitte 2020 ab und zu in ihrer entfesselten Lust, Zeichensysteme dreier Epochen mit einer Prise Wahnsinn zu verrühren. Die realen Leh-man-Brothers von 2007 werden zu den Leighman-Brüdern 1988, und sinnen, von Mo (Don Cheadle), Keith (Paul Scheer) und Dawn (Regina Hall) gelinkt, auf Rache. Dabei werden laufend Filmtitel von damals zitiert: Beat it, man! The Heat is on in Kokomo.
Bei allem Aberwitz ist die Story auch dank der famosen Darsteller mehr als die Summe ihrer einzelnen Gags. Etwa dann, wenn sich die gläserne Decke weiblicher Emanzipation für Dawn als zu dick erweist oder die Krisengewinnler Blair (Andrew Rannels) und Tiff (Casey Wilson) im Auftrag der heiligen Deregulation den Weg ins nächste Tal weltumspannender Crashs ebnen. So surfen die fünf Glücksritter der ersten Staffel bald wieder zusammen auf einer Woge des wirtschaftlichen Aufschwungs ins unvermeidliche Wellental von 1987. Damals war übrigens ein wahrhaftiger Casino-Kapitalist abgestürzt, nur um noch mächtiger aufzuerstehen. Sein Name? Donald Trump! Gar nicht lustig.
»Black Monday« auf Sky
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