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Weißes Gold oder doch ein Gift?

In Deutschland wird sehr viel Salz konsumiert - welche Mengen optimal sind, ist unklar

  • Angela Stoll
  • Lesedauer: 5 Min.

Kochsalz ist ein faszinierender Stoff. Ohne das einst so wertvolle »weiße Gold« kann der Mensch nicht überleben: Die Hauptbestandteile Natrium und Chlorid regulieren unter anderem den Wasserhaushalt des Körpers. In großen Mengen wirkt das Mineral allerdings wie Gift. Schon 0,5 bis ein Gramm pro Kilogramm Körpergewicht gelten als lebensgefährlich. So starb im Jahr 2004 ein kleines Mädchen, nachdem es einen mit 30 Gramm Salz angerührten Pudding gegessen hatte.

Wie viel von diesem Stoff tut dem Körper also auf Dauer gut? »Es gibt einen heftigen Streit darüber, welche Menge Kochsalz optimal ist«, sagt Ulrich Wenzel, Vorsitzender der Deutschen Hochdruckliga. »Niemand hat hier die Weisheit löffelweise gefressen.« Immerhin besteht bei einem Punkt wenig Zweifel: Den meisten Bundesbürgern täte es gut, weniger zu konsumieren.

Tipps zum Salszsparen

Etwa 80 Prozent der täglichen Salzzufuhr stammen laut Verbraucherzentrale aus verarbeiteten Lebensmitteln. Der größte Anteil geht auf Brot und Brötchen zurück.

Besonders viel Salz enthalten Wurst, Fleisch- und Fischzubereitungen, etwa Kasseler, Salami, roher Schinken und Matjesfilets. Sie lassen sich durch salzärmere Produkte ersetzen, etwa gekochten Schinken oder Putenbrust. Auch Käse enthält oft reichlich Salz. Salzarm sind Mozzarella und Frischkäse.

Wer selber kocht und dabei viele unverarbeitete Lebensmittel verwendet, kann den Salzkonsum besser kontrollieren. Frische Kräuter, Knoblauch, Zwiebeln und Zitronensaft sorgen in salzarmen Gerichten für Geschmack.

Salziges Knabberzeug wie Kartoffelchips und Salzstangen lässt sich durch Blätterteig- oder Sesamstangen ersetzen. ast

Im Schnitt nehmen Frauen hierzulande täglich 8,4 Gramm Salz zu sich, bei Männern sind es zehn Gramm. Das ist nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) eindeutig zu viel: Sie empfiehlt, nicht mehr als sechs Gramm täglich zu konsumieren - also etwa einen Teelöffel. »Das ist allerdings nur ein Orientierungswert«, räumt Sprecherin Antje Gahl ein. Damit ist die DGE sogar etwas großzügiger als die Weltgesundheitsorganisation, die als Grenze fünf Gramm pro Tag angibt. Klar ist für Gahl, dass sich ein Großteil der Deutschen viel zu salzig ernährt: »40 Prozent der Frauen und 50 Prozent der Männer in Deutschland nehmen über zehn Gramm Kochsalz täglich zu sich.«

Kochsalz treibt den Blutdruck in die Höhe. Diesen Effekt erklären sich Mediziner vor allem dadurch, dass Salz Flüssigkeit bindet. Gelangt viel Salz ins Blut, steigt dadurch das Blutvolumen und drückt stärker auf die Wände der Blutgefäße. Umgekehrt nimmt durch Salzverzicht die Flüssigkeitsmenge in den Gefäßen ab, sodass der Druck sinkt. »Bei manchen Menschen hat eine Kochsalzreduktion dramatische Effekte, bei anderen nur geringe«, sagt der Internist Wenzel vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf.

Mitte der 90er Jahre haben Wissenschaftler entdeckt, dass 30 bis 50 Prozent der Bluthochdruck-Patienten (Hypertoniker) »salzsensitiv« sind: Bei ihnen gehen die Werte deutlich nach unten, wenn sie weniger Kochsalz konsumieren. Ob man salzempfindlich ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem den Genen sowie bestimmten Vorerkrankungen: So reagieren laut DGE Menschen afrikanischer Herkunft, aber auch Senioren, Übergewichtige und Menschen mit Niereninsuffizienz tendenziell stärker auf Salz.

Ob der Blutdruck stark auf Salz reagiert, kann man nur selbst herausfinden: Dazu ernährt man sich ein bis zwei Wochen salzarm und vergleicht die Blutdruckwerte mit den Ausgangsdaten. Auch wenn nur ein Teil der Bevölkerung deutlich auf eine verminderte Salzzufuhr reagiert, so ist für den Mediziner Wenzel klar: »Eine Reduktion der Salzzufuhr um 10 bis 20 Prozent würde der gesamten Bevölkerung zugutekommen.« Dadurch gäbe es zum einen weniger Hypertoniker, zum anderen wäre vielen Blutdruck-Patienten geholfen: »Manche bräuchten dann zum Beispiel weniger Medikamente«, fügt der Internist hinzu.

Der Experte appelliert an die Lebensmittelindustrie, den Salzgehalt der Produkte zu reduzieren und deutlicher zu deklarieren. »Eine klare Kennzeichnung wäre bereits eine Hilfe.« Dazu muss man wissen: Wie viel Salz Verbraucher täglich aufnehmen, hängt kaum davon ab, wie stark sie ihr Süppchen daheim salzen. Den weitaus größten Teil, nämlich um die 80 Prozent, nehmen sie über verarbeitete Lebensmittel, allen voran Brot, Wurst, Käse und Fertiggerichte, sowie über das Essen außer Haus zu sich. Wer also regelmäßig in der Kantine isst, kann seinen Salzkonsum viel weniger beeinflussen.

Ob eine extreme Beschränkung beim Salz auf Dauer überhaupt gesund wäre, ist zweifelhaft. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass sich eine starke Salzrestriktion negativ auf die Gesundheit auswirken und das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle steigern kann. Eine groß angelegte Studie unter Federführung des kanadischen Epidemiologen Andrew Mente hat gezeigt, dass eine extrem geringe Salzaufnahme mit einer höheren Anzahl an Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergeht. Auch Wenzel räumt ein, dass die Beziehung zwischen Salzzufuhr und kardiovaskulären Ereignissen eine U-förmige Kurve ergibt: Sowohl sehr niedrige als auch sehr hohe Werte erhöhen offenbar das Risiko für Krankheiten dieser Art.

Karl-Ludwig Resch vom Deutschen Institut für Gesundheitsforschung hält ebenfalls vor allem die Extreme für gefährlich. »Nur für diese ist klar, dass sie schädlich sind«, sagt er. Ansonsten sei völlig offen, wo die Grenze zwischen gesund und ungesund verlaufe: »Irgendwo im Bereich zwischen zwei und zehn Gramm Salz pro Tag scheint es einen Wert zu geben, mit dem der Körper gut zurechtkommt.« Dabei spielten auch individuelle Besonderheiten wie Alter, Gewicht und Zustand des Stoffwechsels eine Rolle.

Insgesamt sei die Beweislage in diesem Bereich sehr dünn, kritisiert Resch. So würden aus Kohortenstudien fragwürdige Kausalketten abgeleitet: »Zum Beispiel haben Menschen, die viel Salz konsumieren, in der Regel auch insgesamt eine weniger gesundheitsbewusste Lebenseinstellung.« Eine höhere Zahl an Herz-Kreislauf-Erkrankungen in dieser Gruppe könne man nicht ohne Weiteres mit einer hohen Salzzufuhr erklären. Außerdem werden derlei Studien auch deshalb infrage gestellt, weil der Kochsalzkonsum der Teilnehmer ungenau erfasst werde.

»Wenn man aufs Salz drischt, eröffnet man den falschen Kriegsschauplatz«, kritisiert Resch. Statt sich den Salzstreuer zu verbieten, seien Hypertoniker besser damit beraten, Übergewicht abzubauen und sich mehr zu bewegen. »Die Effekte dieser Maßnahmen sind bestens belegt«, betont er. Gegen Bestrebungen, den Salzkonsum in Deutschland etwas zu verringern, hat aber auch Resch nichts einzuwenden.

Verbraucher, die sich salzärmer ernähren wollen, erreichen das vor allem, indem sie weniger Fertigprodukte essen. Das ist ohnehin gesünder. Unter anderem enthalten Joghurt, Quark, Obst und Gemüse wenig Kochsalz. Wer größere Mengen davon verzehrt, kommt in den Genuss zusätzlicher Effekte: Manche Obst- und Gemüsesorten, etwa Avocado, Fenchel, Aprikosen und Bananen, enthalten viel Kalium. Und das kann den Blutdruck senken.

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