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Aus Eins mach vier?
Wie und warum der Wissenschaftsrat jetzt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zerschlagen will
Man stelle sich vor, Marina Münkler würde mit einem voluminösen Evaluationsbericht unterm Arm ins »Haus der Weisheit«, ins Bait al-Hikma in Bagdad, marschieren und die über alte Handschriften gebeugten, in die Lektüre vertieften oder auf Pergament rasch - bevor sie entfliegen - Gedanken notierenden Gelehrten in ihrer Arbeit unterbrechen, um ihnen mitzuteilen, dass ihre »dysfunktionale« Tätigkeit einer Reformierung bedürfe und eine »Verflachung der Hierarchien« nötig sei. Abū Alī al-Husain ibn Sīnā aus Buchara, lateinisiert als Avicenna weltweit berühmt und gerühmt - Dante Alighieri setzte ihm Jahrhunderte später in der »Göttlichen Komödie« ein Denkmal -, hätte die deutsche Literaturwissenschaftlerin sanft am Arm gefasst und sachte aus den heiligen Gemäuern der Akademie hinauskomplimentiert. Auf dass er und seine Kollegen sich ungestört weiter dem Studium und der Übersetzung der Werke von Platon, Aristoteles, Ptolemäus, Euklid, Archimedes, Hippokrates und all der anderen widmen sowie eigene Erkenntnisse und Einsichten ungestört diskutieren können. Es wäre allerdings gewiss auch keiner der Kalifen von Bagdad auf die irre Idee gekommen, die aus allen Hemisphären ins »Haus der Weisheit« geladenen, Wissen sammelnden und mehrenden Philosophen, Mathematiker, Geologen, Geografen, Ethnologen, Botaniker, Astronomen und Astrologen mit einem »Gutachten« zu belästigen, oder gar mit finanziellem Kram.
Solch Rücksicht, solch Verantwortungsbewusstsein, scheinen Herrschende zwölf Jahrhunderte später nicht zu kennen. Vor zwei Jahren hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) beim deutschen Wissenschaftsrat eine Studie in Auftrag gegeben, die nunmehr am Mittwoch in Berlin auf einer Pressekonferenz vorgestellt wurde und die im Fazit mündet, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz aufzulösen. Und zwar innerhalb von drei bis fünf Jahren. Die Studie sei ein »erster, sehr wichtiger Schritt«, so Grütters. Auch wenn nicht alles »eins zu eins umgesetzt« werde.
Das gleicht schon einem kulturellen und wissenschaftlichen Tsunami. Denn hier soll eine Dachorganisation von mehreren international renommierten Museen, Bibliotheken und Archiven mit insgesamt 15 Sammlungen und 4,7 Millionen Objekten zerschlagen werden. Die Vielzahl der Institutionen habe zu einer »strukturellen Überforderung« der Stiftung geführt, begründete die in Dresden lehrende und mit dem an der Berliner Humboldt-Universität dozierenden Politikwissenschaftler Herfried Münkler verheiratete Leiterin der Arbeitsgruppe des Wissenschaftsrates, die das Gutachten erarbeitete. Auch Grütters erachtet es als einfacher, mit drei Partnern zwecks Ausgestaltung des Berliner Humboldt-Forums zu verhandeln als mit einem (sic). Sie brachte dies auf die - gewiss nicht nur bei mir Stirnrunzeln hervorrufende - Formel: »Aus eins mach vier.«
Was steckt dahinter? Aus Münklers Worten konnte man heraushören, dass einige am ehrgeizigen Projekt im Herzen der Hauptstadt, im Berliner Schloss, mit ihren Exponaten und Forschungsergebnissen beteiligte Institutionen (oder deren Chefs?) explizit als »Hausherren« angesehen werden wollen und nicht »nur« als untergeordnete Instanzen. Wer beschwerte sich ergo da über wen? Münkler wie Grütters lehnen eine »Personalisierung der Debatte« strikt ab und beschwichtigten die - selbstredend aufgeschreckten - 2000 Mitarbeiter der Stiftung, sich keine Sorge um ihre Arbeitsplätze machen zu müssen, es würden im Gegenteil neue geschaffen - naja, und vielleicht würde mancher in ein neues Umfeld transplantiert.
Hermann Parzinger ist nicht Avicenna. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Prähistoriker und Ausgräber des legendären Skythenschatzes, zeigte sich zwar charmant den beiden Damen gegenüber, die eine (für ihn nicht überraschende) Hiobsbotschaft publik machten, bedankte sich brav für deren Dank ob der von ihm und seinen Mitarbeitern geleisteten Arbeit und bekräftigte, sie in gleicher Qualität fürderhin, in den letzten Jahren seiner Amtszeit, gleichwährend denen der Stiftung gewährten Gnadenfrist, zu garantieren. Sodann löckte der Judoka (Träger des Schwarzen Gürtels, mehrfacher Berliner Meister) doch noch couragiert, wenn auch in einer seiner Kampfsportart zugeschriebenen sanften Art, den Stachel wider die Kritik an der Attraktivität der Staatlichen Museen in Berlin, sprach von errungenen Exzellenzclustern, aber auch von »Baustellen«, die indes eher von der Politik verschuldet seien. Letztlich schien sich Parzinger auf die nunmehr offiziell eröffnete offene Diskussion zu freuen. Geleakt, hat sie bereits begonnen.
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