Wo Scholz versagte

Kurt Stenger über ignorierte Lücken der Finanzaufsicht

So manche Enthüllung im Fall Wirecard ist eher eine »Enthüllung«. Dazu zählt der Bericht eines Wirtschaftsblattes, dass Finanzminister Olaf Scholz (SPD) seit Februar 2019 wusste, dass die Finanzaufsicht Bafin in dem Fall ermittelt. Das freilich wusste auch die interessierte Öffentlichkeit. Ein Versagen des SPD-Mannes wird daraus nicht. Das Finanzministerium muss sich darauf verlassen, dass die ihr unterstellte Bafin ihren Job macht.

Erst bei der grundsätzlichen Frage, was eigentlich ihr Job ist, wird es interessant: Seit Jahren gibt es Kritik, dass die Aufsichtsregeln reformiert werden müssen und es der Bafin an Personal fehlt. Das war der Regierung lange Zeit egal - als die Finanzkrise bewältigt war, war es plötzlich nicht mehr en vogue, über eine strengere Regulierung der Finanzbranche nachzudenken, übrigens auch nicht bei wirtschaftsnahen Blättern.

Dabei wäre dies dringend nötig gewesen: Eine sehr große Zahl an Betrügereien bei Finanzunternehmen, meist auf dem »grauen« Kapitalmarkt, blieb von der Finanzaufsicht unbemerkt. Erst jetzt, da es mit Wirecard nun ein Dax-Unternehmen trifft, wird die Reform der Aufsicht über Finanzunternehmen, aber auch über die Wirtschaftsprüferbranche ein Thema.

Weder Scholz noch seine Vorgänger haben sich hier mit Ruhm bekleckert. Womöglich wollte sie den im internationalen Wettbewerb stark angeschlagene Bankenstandort Deutschland mit Nichtstun stärken. Wirecard macht nun deutlich, dass Wegsehen diesen noch weit mehr schädigen kann. Die späte Erkenntnis der Bundesregierung macht das jahrelange Wegsehen aber natürlich nicht wett.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!