Schulunterricht auch mit weniger als 1,5 m Abstand
Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Schüler dürfen in Sachsen-Anhalt auch ohne den allgemein geltenden coronabedingten Mindestabstand unterrichtet werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Sachsen-Anhalt am 15. Juni 2020 (Az. 3 R 111/20) entschieden. Es wies den Antrag eines Grundschullehrers ab, der gegen die Aufweichung des Corona-Abstandsgebots geklagt hatte.
Nach Einschätzung des Gerichts verletzen die geltenden Regelungen nicht die staatliche Pflicht zum Schutz der Gesundheit der betroffenen Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler. Die Infektionszahlen im Land seien auf einem vergleichsweise geringen Niveau.
Die Landesregierung sei berechtigt, den Katalog von Maßnahmen zur Eindämmung des Virus stetig anzupassen und nicht mehr für notwendig erachtete Schutzmaßnahmen zurückzunehmen. Zudem sei eine konkrete Gefährdung von Schülern und Lehrern bei Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 Metern bislang wissenschaftlich nicht eindeutig erwiesen. Ein Gesundheitsschutz für Lehrkräfte und Schüler, der die Infektionsgefahr vollständig ausschließe, sei nicht zu verlangen. Die OVG-Entscheidung ist laut einer Sprecherin unanfechtbar.
Bildungsminister Marco Tullner (CDU) sagte: »Ich freue mich über das Urteil. Das Ergebnis schafft Rechtssicherheit für alle Schulen und Eltern, aber vor allem sichert es den Weg für Schülerinnen und Schüler zurück in die Schulen.«
Bei allen notwendigen Hygienemaßnahmen seien dauerhafte schulische Angebote notwendig, die sowohl die pädagogischen wie auch die sozialen Aspekte beachteten.
Für die meisten Jahrgänge gilt derzeit ein Wechselmodell. Dabei werden die Klassen in kleine Gruppen aufgeteilt und lernen abwechselnd zu Hause und in der Schule. So soll der Mindestabstand eingehalten werden, um eine neuerliche Verbreitung des Coronavirus zu verhindern.
Die Grundschulen sind inzwischen wieder zum täglichen Unterricht übergegangen. Die Kinder lernen in voller Klassenstärke, aber mit einer festen Lehrkraft. Dafür darf der Mindestabstand von 1,5 Metern unterschritten werden. Als Vorsichtsmaßnahme werden die Klassen strikt voneinander getrennt.
Das OVG führte weiter aus, die Landesregierung habe mit der Entscheidung zur Regelbeschulung mit einem Bündel an Maßnahmen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten.
Als Beispiele wurden der Unterricht im festen Klassenverband genannt, der Infektionsketten nachvollziehbar machen soll, Hygienehinweise, Reinigungspläne, ausreichende Lüftung und die Befreiung vom Präsenzunterricht.
Die Richter gingen in ihrer Entscheidung auch auf die aktuell vermehrten Neuinfektionen in der Landeshauptstadt ein, nach denen diverse Schulen und Horte geschlossen wurden. Die Fälle hätten gezeigt, dass die zuständige Infektionsschutzbehörde den für Schüler und Lehrkräfte bestehenden Gefahren zügig durch Maßnahmen vor Ort begegne.
Die staatliche Schutzpflicht sei zudem durch das Recht der Kinder auf Bildung und den Schutz von Familien beschränkt. Eine fortdauernde Beschulung und Betreuung zu Hause hindere Eltern zudem daran, ihrer Erwerbstätigkeit nachzugehen, so das OVG in der Urteilsbegründung.
Der klagende Grundschullehrer war von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unterstützt worden. Die Schulen vollständig zu öffnen, setze die Lehrkräfte und die Kinder einem enormen Risiko aus, hatte GEW-Landeschefin Eva Gerth gesagt. Die Bildung fester Gruppen, die sich nicht begegnen sollten, sei in den Schulen kaum umsetzbar.
Der Mindestabstand in Schulen beschäftigt nicht nur in Sachsen-Anhalt die Justiz: Zuvor hatte das Sächsische Oberverwaltungsgericht (Az. 3 b 194/29) in Bautzen entschieden, dass in den Schulen und Kindergärten in Sachsen von den 1,5 Metern abgewichen werden darf. dpa/nd
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