Gedärme entnehmen
Die belgische Zombiekomödie »Yummy« besteht hauptsächlich aus exaltierten Splatterszenen
Auf der Fahrt nach Osteuropa, wo sich Alison (Maaike Neuville) die Brüste verkleinern lassen will, machen sie und ihr Freund Michael (Bart Hollanders) halt, weil Alisons mitreisende Mutter austreten muss. Während das Paar im Auto wartet, entspinnt sich folgendes Gespräch: Sie: »Wirst du mich danach noch lieben? Ich mein’, ohne die ...« - Er: »... ohne die zwei? Natürlich!« - Sie: »Echt?« - Er: »Natürlich, Bärchen. Du hast mehr zu bieten als deine Brüste.« - Sie: »Und du mehr als dein Bäuchlein.« - Er: »Jetzt werd’ nicht frech, ja?« Dann Schnitt, man sieht den Hintern der Mutter in Großaufnahme und wie diese sich den Slip nach vollendetem Geschäft richtet und Richtung Auto eilt.
Das ist das Niveau, auf dem sich die mit einem niedrigen Budget produzierte belgische Horrorkomödie »Yummy« bewegt, die obendrein einen abstrusen Plot vorzuweisen hat.
Nun gibt es sehr viele schlechte Filme. Filme, in denen inkonsistente Geschichten erzählt werden, oder solche, die den Zuschauer mit moralischen Banalitäten belästigen. Es gibt schlechte Schauspielleistungen, Unfähigkeit bei Inszenierung und Regie. Es gibt Filme, die mit Sound- und Trickeffekten überladen sind. Es gibt schlimme Scores, die in ihrer penetranten Lärmigkeit allein schon einen Film unerträglich machen können. Die Filmkunst scheint überdies eine magische Anziehungskraft auf alle möglichen Spielarten von Überambitioniertheit auszuüben.
Mit »Yummy« erblickt nun ein Film das Licht der Kinoleinwand, der nichts davon auslässt und bei dem es im Grunde schwerfällt, überhaupt von einem Film zu sprechen. Es handelt sich zwar um eine Aneinanderreihung von bewegten Bildern und Szenen, auch sind menschliche Schauspieler zu sehen und es wird versucht, so etwas wie eine Geschichte zu erzählen, nur drängt sich während des knapp 90-minütigen Treibens der starke Verdacht auf, dass der Sinn des Abdrehens und Aneinanderklebens vollkommen hirnrissiger Szenen einzig darin liegt, einigen Genrefans ein paar Euros aus der Tasche zu ziehen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht besagte Brustverkleinerung, auch die Mutter will irgendetwas an sich »verbessern« lassen. In der Klinik angekommen, darf zunächst ein alter Chefarzt Alison lüstern an die Brüste packen, solcherlei und die überdrehte Klischeehaftigkeit sollen offenbar den »Komödienteil« von »Yummy« ausmachen.
Schließlich entdeckt Michael in einem Zimmer der Klinik eine Frau, die auf einem Bett fixiert und geknebelt ist - wie sich später herausstellen wird, ist sie Opfer irgendwelcher Verjüngungsexperimente und dabei zum Zombie geworden. Es gelingt ihr, freizukommen und andere in der Klinik zu infizieren, und so nimmt die Geschichte ihren Lauf. Am Ende sind alle tot, und immerhin darf man Regisseur Lars Damoiseaux dafür dankbar sein, nicht auch noch auf weitere mögliche Fortsetzungen dieses Desasters spekuliert zu haben.
Die Figuren in »Yummy« dienen ausschließlich dazu, etwas zu haben, das möglichst blutig abgeschlachtet, massakriert, amputiert, verbrannt, unter Strom gesetzt, zerstückelt und gefressen werden kann. Alles im Film hat nur diese eine Funktion: exaltierte Splatterszenen zu ermöglichen. Mit dem Ergebnis, dass dem Zuschauer diese Figuren und das Treiben insgesamt genauso egal sind wie offenbar auch den Filmemachern und man das Gemetzel nur schulterzuckend und gelangweilt zur Kenntnis nimmt. Horror, so lässt sich ex negativo aus »Yummy« entnehmen, ist nicht das epische Herausziehen von Gedärmen aus einem toten Menschenkörper, sondern die Vermittlung und Erzeugung von Angst und Panik. Das gelingt aber nicht, wenn reinen Funktionsfiguren die Gedärme entnommen werden.
Der Film verachtet somit nicht nur seine Figuren, sondern auch seine Zuschauer, denen man eine reine Effekte-Show hinwirft, die von einer lächerlichen Geschichte irgendwie zusammengehalten werden soll. »Yummy« ist ein abseitiger Gore-Porno, den man sich getrost entgehen lassen darf.
»Yummy«, Belgien 2020. Regie: Lars Damoiseaux. Mit Maaike Neuville, Bart Hollanders, Benjamin Ramon. 89 Min.
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