Granitbrocken gegen Grundschleppnetze

Greenpeace-Aktion in geschützter Ostseeregion - Bundesamt erlässt Verbot

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund 50 große Granitsteine, manche von ihnen mit einem Gewicht bis zu einer Tonne, hatten Mitglieder der Umweltorganisation Greenpeace seit Sonntag früh etwa 40 Kilometer östlich der Insel Rügen von Bord des Schiffes »Beluga II« in die Ostsee gekippt. An deren Boden sollen die gewaltigen Brocken das Meeresschutzgebiet »Adlergrund« vor der Zerstörung durch Grundschleppnetze der Fischerei bewahren. Am Dienstag wollten die Aktivisten ihre Aktion fortsetzen, doch ein Verbot kam ihnen zuvor. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie untersagte das weitere Versenken der steinernen Hindernisse.

Ihre Entscheidung begründet die Behörde, die dem Verkehrsministerium des Bundes zugeordnet ist, so: Das Versenken der Steinbrocken sei rechtlich als »Verschmutzung« zu bewerten. Damit verstoße Greenpeace gegen das »Hohe-See-Einbringungsgesetz«. Eine Sprecherin des Amtes erinnerte an eine ähnliche Aktion der Umweltorganisation im Jahr 2008 vor Sylt. Dort waren ebenfalls Steinbrocken ins Wasser geworfen worden, und auch damals hatte das ein Verbot zur Folge.

Trotz des Verbotes und der angedrohten Ordnungsstrafe hat Greenpeace am Dienstag weitere Granitsteine vor der Insel Rügen in der Ostsee versenkt. Behörden und Fischer seien über die Koordinaten der versenkten Findlinge informiert worden, teilte die Organisation mit.

Greenpeace muss nun allerdings bei weiterem Steineversenken mit dem Eingreifen der Küstenwache rechnen. Die Umweltorganisation hatte ihr Vorgehen bei Rügen als »Errichten einer steinernen Barriere für echten Meeresschutz« bezeichnet. Beim Adlergrund handele es sich um ein Areal mit artenreichen Steinriffen und Miesmuschelbänken, das frei bleiben solle von menschlicher Zerstörung. »Fischer durchpflügen den Meeresboden sogar in ausdrücklich geschützten Gebieten ganz legal und zerstören so das Ökosystem«, gibt Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack zu bedenken.

»Nicht weiter zusehen darf die Bundesregierung, wie schwere Schleppnetze das Ökosystem des Schutzgebietes zerstören«, betont der Experte. Nur ein Verbot dieses Handelns könne die wertvollen Lebensräume und ihre Artenvielfalt erhalten. Zwar sei ein solches Verbot sowohl vom Umwelt- als auch vom Landwirtschaftsministerium des Bundes bereits im Frühjahr 2019 angekündigt worden, erinnert Maack, aber offensichtlich fehle der politische Wille, dies in die Tat umzusetzen und die Meere tatsächlich zu schützen. Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU), auch für Fischerei zuständig, müsse jetzt schnellstmöglich und konsequent handeln, fordert der Greenpeace-Biologe.

Die Felsbrocken-Aktion der Mitstreiter des Biologen stößt bei Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) auf Kritik. Er wirbt um Verständnis für die Fischer, indem er den Umweltschützern entgegen hält: »Es ist schon fast als makaber zu bezeichnen, wenn Greenpeace einen Berufsstand, der quasi vor der Auflösung steht, zum Sündenbock macht für die gesamte Misere der Ostsee.« Von den 1390 Fischern im Haupterwerb, die 1989 im Nordosten gezählt wurden, seien noch 211 geblieben, weiß der Ressortchef und mahnt: »Weitere Betriebsaufgaben sind angekündigt.«.

Es sei unseriös, so Backhaus, wenn Greenpeace den Eindruck zu erwecken versuche, Meeresschutzgebiete seien von jeder Nutzung ausgeschlossen. Im Gegenteil: Viele traditionelle Kulturlandschaften seien erst durch menschliche Nutzung wertvoll geworden. Greenpeace möge auf »solche PR-Maßnahmen« wie das Steineversenken künftig verzichten, denn sie stellten »eine Verzerrung der Realität dar«, meint der Minister.

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