Alles ist im Gleichgewicht

Feel-Good-Kino mit Postkartenästhetik: Mika Kaurismäkis Komödie »Master Cheng in Pohjanjoki«

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 4 Min.

Auch durch und durch gutartige Filme können einen fertigmachen. »Master Cheng in Pohjanjoki« ist so ein Film. Jede der Figuren ist - man liest es in fast jedem Text über diese Art von Kino - »liebenswürdig«. Liebenswürdig soll auch die Weltsicht sein, die »Master Cheng« dem Zuschauer aufs Auge drücken möchte. Und das in einer Intensität und Schlichtheit, die man auch in den übrigen Culture-Clash-Komödien der letzten Jahre nur selten findet.

Wir lernen unter anderem: Die Natur ist schön und ein Ort der inneren Sammlung. Essen soll man achtsam. Andere Länder, andere Sitten, aber eigentlich sind wir alle nur Menschen. Die Staatsgewalt nimmt es manchmal zu genau mit dem Gesetz, da vergisst man schon mal das Menschliche, im Kern aber ist sie harmlos. Kernige Männer haben ein gutes Herz, achten nicht auf ihre Gesundheit und sind wie große Kinder, Frauen haben noch einmal andere Probleme. Manchmal stirbt jemand vor der Zeit, das ist dann Schicksal. Wenn die Hinterbliebenen aber das Herz am rechten Fleck und die Unfähigkeit zu trauern überwunden haben, wird das wieder. Der Tod gehört zum Menschsein nämlich dazu, und am Ende ist man sogar gewachsen in seinem Schmerz. Humor überwindet Grenzen, Tanzen ist sinnlich und gesund.

Von Anfang an: Der Koch Cheng (Pak Hon Chu) reist mit seinem Sohn Nunjo (Lucas Hsuan) in die finnische Provinz, weil er jemandem Geld zurückzahlen will. Man sieht sofort: Ein feiner Mensch ist das. Erster Anlaufpunkt ist das Café von Sirkka (Anna-Maija Tuokko), einer tatkräftigen Finnin. Cheng fängt an, in Sirkkas Café zu kochen, chinesisch. Bald brummt der Laden, weil alles so gesund und lecker ist. Probleme gibt es auch: Chengs Sohn zum Beispiel hängt zu oft am Smartphone. Da merkt man, dass etwas noch nicht ganz stimmt, viel Smartphone kann nicht richtig sein, weil das Zwischenmenschliche dann in den Hintergrund tritt.

Nächstes Problem: Cheng will nicht, dass Nunjo Fahrrad fährt, weil Chengs Frau in Shanghai beim Fahrradfahren von einem Auto totgefahren wurde. Sirkka erkennt intuitiv, was richtig ist, und kauft dem Sohn ein Fahrrad, alle sind wieder froh. Von dieser Art sind die Konflikte, die so etwas wie einen Plot ergeben sollen. Während das Geschehen zäh, dabei aber unübersehbar um Eleganz bemüht Richtung Happy End voranschreitet (China-Reise, Heirat), sagt Cheng so Sachen wie »Manchmal sind Hoffnung und Gesundheit dasselbe«, »Als ich ein kleiner Junge war, hab ich geträumt, dass es eine andere Welt jenseits der Wolken gibt« und »Alles ist im Gleichgewicht«. Dass der Sohn gerne isoliert vor dem Display hängt, weil er die väterlichen Weisheiten nicht mehr hören kann, ist eine Lesart, die sich dem kritischen Zuschauer sehr aufdrängt.

»Master Cheng in Pohjanjoki« selbst hält solche Sätze allerdings offensichtlich für bedeutsam und wohl auch für wahr - Bildkomposition und Klangbild sind auf derselben Ebene angesiedelt. Bilder einer weiten Natur, die einst für Menschen, die in ihr leben mussten, Tod und Verderben bedeutet hat, heute aber nicht einmal mehr Erhabenheit, sondern Empfindsamkeit und Harmonie suggeriert. Alles in professioneller Postkartenästhetik (Kamera: Jari Mutikainen). Wenn Cheng kocht, und in diesem Film wird viel gekocht, erklingen meditative Töne, die uns sagen, dass gerade etwas hochwertig Chinesisch-Philosophisches geschieht und dass hier jemand, bei allem Schmerz (die totgefahrene Frau), im Einklang mit sich selbst ist.

So vergehen Film- und Lebenszeit, und damit man die Abwesenheit einer Haltung zur Welt, die über den nicht zuletzt ja schlicht gelogenen Satz »Alles ist im Gleichgewicht« hinausginge, nicht allzu sehr bemerkt, fährt der Film eine ganze Reihe Culture-Clash-Witze auf. Die drehen sich darum, dass Chinesen Probleme haben, finnische Wörter auszusprechen, und dass chinesisches Essen trinkfreudigen Finnen als verweiblicht gilt, nun ja.

Wohlfeil ist dieser Film, wohlfeil ist aber auch die Kritik am gutartig-harmlosen Middlebrow-Kino, das dann ja doch niemandem wehtut, sondern halt einfach nur egal ist. Der Unmut speist sich allerdings auch nicht aus einer ideologiekritischen Überlegung oder so etwas, sondern aus dem Filmerleben selbst: Das Gefühl, dass etwas einen in einer selbst so stulligen Weise einlullen will, ist schlicht unangenehm. Und der Wunsch, »Terminator 2« oder »Phantom Commando« noch einmal zu sehen, oder einen Film von Jean-Marie Straub, er wächst beim Sehen mit jeder Minute. In diesem Sinne kann man mit »Master Cheng in Pohjanjoki« vielleicht doch noch etwas anfangen: als exemplarisches Lehrstück über das saturierte Arthouse-Feel-Good-Kino, das von der Welt nichts mehr wissen und sie dem Zuschauer - das ist schon das ganze Versprechen - vom Leibe halten will.

»Master Cheng in Pohjanjoki«, Finnland/China/Großbritannien 2019. Regie: Mika Kaurismäki. Darsteller: Pak Hon Chu, Lucas Hsuan, Kari Väänänen, Vesa-Matti Loiri. 114 Min.

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