Korruption à la Hessen

Oberstaatsanwalt soll Schmiergelder erhalten haben

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

»Fassungslos« über die »beispiellosen Vorwürfe« gegen Alexander B. gab sich Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU), als sie in der vergangenen Woche bei einer Sondersitzung des Justizausschusses im Wiesbadener Landtag ihre Kenntnisse im Fall des Frankfurter Oberstaatsanwalts darstellte. Der Beschuldigte, der bis zu seiner Festnahme Ende Juli auch als Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft fungierte, soll über Jahre von einem hessischen Unternehmen Bestechungsgelder in Höhe von insgesamt 240 000 Euro erhalten haben. Die GmbH hatte über viele Jahre für die Behörde medizinstrafrechtliche Gutachten erstellt, bei denen es etwa um den Verdacht falscher und unberechtigter Abrechnungen von Ärzten mit Krankenkassen ging. Dafür hatte die Firma, deren Geschäftsführer nun ebenfalls in Untersuchungshaft sitzt, Arzthelferinnen als Sachverständige eingestellt. Die von dem Unternehmen erstellten Gutachten bildeten die Grundlage für die Entscheidung der Staatsanwaltschaft darüber, ob das angestrebte Verfahren eingestellt oder an ein Gericht verwiesen wurde.

Nach jahrelangen Ermittlungen steht inzwischen fest, dass die GmbH im Jahre 2005 auf Initiative von Alexander B. gegründet wurde und ein alter Schulfreund des Oberstaatsanwalts damals die Geschäftsführung übernahm. Die Firma soll bis Sommer 2019 im Auftrag der Staatsanwaltschaft insgesamt über 5300 Gutachten angefertigt haben. Als Gegenleistung für die lukrativen Aufträge der Behörde habe Alexander B. mit einer EC-Karte Zugriff auf ein Privatkonto des Geschäftsführers erhalten und jahrelang regelmäßig Bargeld in kleineren und größeren Beträgen abgehoben, berichtete Kühne-Hörmann den staunenden Parlamentariern. »So sollte die Geldübergabe nicht mit ihm in Verbindung gebracht werden«, erklärte sie. Darüber hinaus bestehe nun auch der Verdacht, dass der Oberstaatsanwalt mit einem weiteren einschlägigen Unternehmen einen Deal abgeschlossen und dafür weitere 66 000 Euro kassiert habe. Auf der Grundlage der Ermittlungen habe die Justiz mittlerweile beim Oberstaatsanwalt und beim Geschäftsführer hohe Geldbeträge beschlagnahmt. Die Ermittlungen gegen beide waren im Sommer 2019 ins Rollen gekommen, als die einstige Lebensgefährtin von Alexander B. in Frankfurt am Main Strafanzeige erstattete. Die Arzthelferin schilderte den Behörden wichtige Details aus ihrem Alltag in der GmbH.

Der aktuelle Korruptionsskandal ist auch vor dem Hintergrund hessischer Besonderheiten zu verstehen und dürfte kein »Einzelfall« sein. 2005 wurde Hessen von einer CDU-Alleinregierung unter dem späteren Bilfinger-Manager Roland Koch verwaltet, die bei der Auslagerung und Privatisierung öffentlicher Strukturen weiter ging als andere Länder. So wurde damals nicht nur das bislang einzige Universitätsklinikum Gießen-Marburg, sondern auch die eigentlich hoheitliche Ermittlungsarbeit im medizinstrafrechtlichen Bereich in private Hände gelegt. Anderswo treten hingegen staatliche Ermittler oder Krankenkassen in Aktion. Diese hessische Besonderheit sorgte außerhalb des Landes in Fachkreisen für Aufsehen, wurde aber offenbar von den damaligen CDU-Justizministern Christean Wagner und Jürgen Banzer gedeckt.

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