Angespannte Feiertagsstimmung

Vor den Feiern zur Unabhängigkeit ist zwischen Indien und Pakistan der Streit um Kaschmir neu entbrannt

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Hochrangiger Besuch vergangenen Wochenwechsel in Islamabad: Zu einer zweitägigen Visite weilte Volkan Bozkir in Pakistan. Im Juni war der türkische Diplomat zum Vorsitzenden der im September wieder tagenden UN-Generalversammlung gewählt worden. Verschiedene Themen hatte Bozkir mit seinen Gastgebern, Premier Imran Khan und Außenminister Shah Mahmoud Qureshi, zu besprechen. Um die Corona-Pandemie ging es da oder auch die Initiative für einen Schuldenerlass. Kein unwichtiger Aspekt für das finanziell am Tropf Saudi-Arabiens, der Vereinigten Arabischen Emirate, Chinas und des Internationalen Währungsfonds (IWF) hängende Pakistan. Für Khan und Qureshi war es aber auch in dieser Runde unerlässlich, umfassend ihre Sichtweise auf die Kaschmir-Problematik deutlich zu machen.

Dem pakistanischen Regierungschef Khan kommt es immer wieder gelegen, sich international als Fürsprecher der Bevölkerung im indisch kontrollierten Teil Kaschmirs aufspielen zu können, um von eigenen Problemen abzulenken. Auch bei diesem wichtigen Staatsgast ließ Khan die Chance nicht aus. Dass sich am 5. August gerade jenes einschneidende Datum zum ersten Mal jährte, an dem wiederum Indiens Premier Narendra Modi die bis dato geltende Teilautonomie des vormaligen Unionsstaates Jammu und Kaschmir aufgehoben hatte, war ein willkommener Anlass. Inzwischen ist dieser als solcher gar nicht mehr existent, sondern in zwei direkt von der Zentrale in Delhi verwaltete Unionsterritorien aufgespalten worden. Die Hindunationalisten der regierenden Bharatiya Janata Party (BJP) erfüllten damit ein altes Wahlversprechen.

Vor einem Jahr war Khan nicht sonderlich erfolgreich darin, mit seiner massiven Kritik an dem Schritt Indiens die internationale Gemeinschaft, gerade den UN-Sicherheitsrat, explizit auf Pakistans Seite zu ziehen.

Dass die Wirtschaft im indischen Teil Kaschmirs am Boden liegt, ist nicht allein eine Folge der Corona-Pandemie. Sondern hat, wie der Chef der lokalen Industrie- und Handelskammer dieser Tage gegenüber den Medien betonte, auch wesentlich darin seinen Grund, dass Einwohner und Unternehmer der Region fast sieben Monate ganz vom Internet abgeschnitten waren. Am 4. August 2019 trat diese Maßnahme der Modi-Administration in Kraft, und nur der Intervention des Obersten Gerichtshofes im Januar war es zu verdanken, dass es nach 175 Tagen Totalabschaltung nun zumindest 2G-Service gibt. Unter dem Schneckentempo haben schon Privatleute zu leiden, aber noch mehr die Wirtschaft, die auf schnellen Datenverkehr angewiesen ist. Fortgesetzte Beschränkungen für die indischen Kaschmiris machen es Imran Khan leicht, Pakistan als internationalen Anwalt derer Interessen darzustellen.

Indien und Pakistan entstammen der gleichen »Erbmasse«, entstanden 1947 aus der Aufspaltung des vormaligen Kronjuwels des britischen Kolonialreiches. Am diesem Freitag, 14. August; begehen die Pakistaner ihren Nationalfeiertag, einen Tag später feiern die Inder ihre Unabhängigkeit. Und seit damals ist Kaschmir der Zankapfel. 2001, beim Gipfeltreffen von Agra zwischen Pakistans Militärmachthaber Pervez Musharraf und Indiens Premier Atal Behari Vajpayee (wie Modi von der BJP), und auch noch etwas später schien eine Lösung zum Greifen nahe. Inzwischen ist das Verhältnis erneut auf einem Tiefpunkt angelangt. Dass Imran Khan dieser Tage eine neue offizielle Landkarte vorstellte, untermauert das nur. Denn sie zeigt nicht nur Gilgit-Baltistan, also den pakistanisch kontrollierten Teil der Region, als normales Staatsgebiet, sondern auch den vormaligen indischen Unionsstaat.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!