Ein Land im Zangengriff

Wolfgang Hübner über die politischen Unruhen in Belarus

Wenn ein Staatschef jahrzehntelang sein Kerngeschäft darin sieht, mit allen Mitteln seine Macht abzusichern; wenn er vor Wahlen immer wieder Konkurrenten aus dem Verkehr ziehen lässt; wenn er Protest mit Polizeigewalt unterdrückt - dann hat das mit Demokratie nichts zu tun. Wir reden von Belarus, das derzeit schwerer erschüttert wird denn je.

Mag sein, dass die Herrschaftstage von Präsident Lukaschenko gezählt sind; westliche Medien reden den Regimesturz regelrecht herbei. Mag auch sein, dass er sich mit seinen drakonischen Methoden noch eine Weile hält. Tatsache ist: Die Gesellschaft von Belarus ist in Bewegung geraten; die Menschen werden sich diesen erkämpften Spielraum nicht mehr so einfach nehmen lassen. Allerdings: Der Prozess der Demokratisierung vollzieht sich nicht im luftleeren Raum. Wer von außen nur über Menschenrechte redet, heuchelt zumeist. Wer hingegen nur das Wirken fremder Mächte anprangert, ist einäugig.

Am System Lukaschenko gibt es nichts zu verteidigen. Sehr wohl aber an einem Land, das sich auf einen selbstbestimmten Weg der demokratischen Erneuerungen begeben will. Dass Belarus diese Möglichkeit bekommt, darf nach aller Erfahrung bezweifelt werden. Denn der Westen versucht, das Land dem Einflussbereich Moskaus zu entreißen. Und Russland hat keinerlei Interesse daran, demnächst Nato-Truppen noch massiver vor seiner Haustür aufmarschieren zu sehen. Dagegen ist Belarus bisher ein Puffer. Diese Machtverschiebung begann vor 30 Jahren in Osteuropa; die Ukraine ist das bislang letzte Kapitel.

Die Chancen stehen nicht gut für eine eigenständige Entwicklung im wirtschaftlich schwachen Belarus. Die möglichen ökonomischen und politischen Profiteure eines Umsturzes sitzen längst in den Startlöchern.

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