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Für den Erhalt der alten Ordnung
Wie Klimawandelleugner und Klimaschutzbremser wirksame Maßnahmen gegen die Erderwärmung verhindern
Haben Sie sich auch schon gefragt, wie es sein kann, dass die meisten Politiker und Wirtschaftslenker hierzulande über die Notwendigkeit von Klimaschutz reden, dieser aber kaum vorankommt? Noch nirgends wurde diese Frage so akribisch beantwortet wie im kürzlich erschienenen Buch von Susanne Götze und Annika Joeres über die »Klimaschmutzlobby«. Die Diagnose der beiden Autorinnen ist durchaus überraschend: Klimawandelleugner haben deutlich mehr Einfluss auf die deutsche Politik als gedacht. »Die Klimaschmutzlobby besteht aus verschiedenen Netzwerken, deren Zusammenspiel verheerend ist. Sie zögern rasche und wegweisende politische Aktionen hinaus, verpulvern Milliarden an fossile Branchen, streuen Zweifel an Klimafakten und bereichern sich auf Kosten unserer Erde«, so die Autorinnen.
Die Klimaschutzverhinderer sind demnach breit aufgestellt. Bei Rechten und Rechtspopulisten gehört Anti-Klimaschutz-Rhetorik zum Grundverständnis. Susanne Götze, Historikerin und langjährige nd-Autorin, und Annika Joeres, die für die Investigativredaktion Correctiv.org arbeitet, führen dies auf das nationalistische Dogma zurück, denn Klimaschutz wird dagegen auf internationaler Ebene vorangetrieben. Darüber hinaus eignet sich, so die Autoirinnen, staatlich organisierter Klimaschutz ähnlich wie die Flüchtlingspolitik dafür, als »Projekt der Eliten« skandalisiert zu werden, selbst wenn die Regierungen diesen nur halbherzig vorantreiben.
Rechte machen Stimmung gegen die Windkraft und zweifeln auch ganz offen die breiten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Klimaforschung an. Sie führen eine skurrile Gruppe von Pseudowissenschaftlern an, die mit kruden Behauptungen auf sich aufmerksam machen, dass das mit dem menschengemachten Klimawandel eigentlich gar nicht so stimmt. In Medien finden diese ein breites Echo - zum Teil, weil diese einem falschen Pluralismusverständnis aufsitzen. Auch wenn die Thesen nicht ernst zu nehmen sind, gelingt es diesen Leuten, Zweifel an den tatsächlichen Erkenntnissen zu streuen.
Das liegt aber vor allem daran, dass sie finanzstarke Unterstützer haben. Dabei handelt es sich oft um neoliberale Thinktanks aus den USA wie das Heartland- oder das Cato-Institut. Diese stören sich am Klimaschutz, da er auf einen starken, durchsetzungsfähigen Staat angewiesen ist, was von Konservativen als »Sozialismus« verteufelt wird. Zudem stehen die Thinktanks in enger Verbindung zu milliardenschweren Konzernen, die im Bereich der fossilen Industrien Geschäfte machen und zu den Hauptverursachern des Klimawandels zählen. Unter der Rechtsregierung von Donald Trump haben diese In-stitute unmittelbaren Einfluss auf die Regierungspolitik erhalten.
Wie die beiden Autorinnen recherchiert haben, fördern die zahlreichen neoliberalen Thinktanks über ihr Atlas-Netzwerk hiesige Klimawandelleugner auch in Europa - in Deutschland etwa den Verein Eike, aber auch wirtschaftsnahe Lobbygruppen wie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die den menschengemachten Klimawandel nicht anzweifeln. Letztere sind laut Götze und Joeres »die einflussreichste Gruppe, die seit Jahrzehnten absichtlich eine wirksame Klimaschutzpolitik verhindert«. Sie bremsen mit Verweis auf gefährdete Jobs, das Primat des Marktes vor staatlichen Eingriffen und der Behauptung, Klimaschutz funktioniere nicht unilateral, sondern nur global.
Den Bremsern geht es dabei schlicht um Wirtschaftsinteressen. Dank intensiven Lobbyeinsatzes ist es etwa der Gasindustrie gelungen, ihrem Produkt ein grünes Image zu verpassen und in der EU eine milliardenschwere Förderung von Pipelines und LNG-Infrastruktur durchzusetzen, obwohl sich die Politik eigentlich den Ausstieg aus fossiler Energieerzeugung bis 2050 auf die Fahnen geschrieben hat. In Deutschland sind die Lobbyisten auch deshalb so erfolgreich, weil Energiekonzerne eng mit Politikern verbandelt sind, über direkte Beziehungen etwa ins Wirtschaftsministerium verfügen und teils sogar direkt an Gesetzen mitarbeiten.
Doch es gibt laut den Autorinnen auch so etwas wie eine konservative ideologische Übereinstimmung: »Die Lobby ist erfolgreich, weil Konzerne und die aktuellen Regierungen für dasselbe Ziel kämpfen: die Erhaltung einer alten Ordnung. Dazu gehören dicke SUVs, luxuriöse Kreuzfahrten, gigantische Einkaufszentren und billiges Fleisch.« Und so enden Götze und Joeres in ihrem vor Corona geschriebenen Buch mit einer Warnung, die angesichts der Pandemie erschreckend aktuell geworden ist: »Wenn die Verlierer der Energiewende wirklich mobilmachen (beispielsweise Angestellte im Kohle- und Automobilsektor) und Länder zudem unerwartet in wirtschaftliche Krisen geraten, könnte das den gesellschaftlichen Diskurs über den Klimaschutz von heute auf morgen ändern. Welcher Politiker hält dann noch die Fahne für den Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel hoch?«
Susanne Götze, Annika Joeres: Die Klimaschmutzlobby. Wie Politiker und Wirtschaftslenker die Zukunft unseres Planeten verkaufen. Piper, 302 Seiten, 20 Euro.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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