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Linke verspricht, Friedenspartei zu bleiben
Kontroverse nach von Gysi und Bartsch angekündigter Kompromissbereitschaft bei Auslandseinsätzen und Nato-Bündnisverpflichtungen
Es mangelte an diesem 1. September 2020 nicht an Versprechen linker Politiker, die Linke sei und bleibe »die Friedenspartei in Deutschland«. Das versicherten zum Beispiel die Vorsitzenden der Linksfaktion im Bundestag, Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch, am Dienstag in einer gemeinsamen Videobotschaft zum Weltfriedenstag.
Mohamed Ali sagte, ihre Partei fordere »einen sofortigen Stopp aller Waffenexporte aus Deutschland«. Die Tatsache, dass die Bundesregierung beschlossen hat, die Rüstungsausgaben wie von der Nato verlangt auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes anzuheben, nannte sie »absoluten Irrsinn«. Bartsch betonte, auf die klare Position der Bundestagsfraktion gegen Kampfeinsätze der Bundeswehr »konnte man und wird man sich weiter verlassen können«. Am Vortag hatten auch die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger die Bedeutung einer »engagierten Friedenspolitik« der Linken hervorgehoben.
Der 81. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs dürfte nicht der einzige Anlass dieser Statements sein. In den letzten beiden Wochen hatten Bartsch wie auch Gregor Gysi, seit Mai außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, durch Interviewäußerungen für Irritationen bei vielen Genossen gesorgt. Denn sie hatten erklärt, dass die im Programm der Linken enthaltenen Forderungen nach Auflösung der Nato und sofortiger Beendigung aller Kampfeinsätze der Bundeswehr bei möglichen Koalitionsverhandlungen sicher keine große Rolle spielen würden. Das Ziel des Ersetzens des Militärbündnisses Nato durch eine »kollektive Sicherheitsstruktur« sei eher eine »Vision«, hatte Gysi dem Tagesspiegel am Sonntag gesagt.
Die in recht geballter Ladung aufgetretenen Äußerungen veranlassten die Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, Ulla Jelpke und Heike Hänsel sowie den stellvertretenden Parteivorsitzenden Tobias Pflüger zu einer eigenen Erklärung zum Antikriegstag. Das Papier ist jedoch vor allem ein Appell an allzu heftig auf eine rot-rot-grüne Koalition im Bund hinarbeitende Genossen. 75 Bundestags- und Landtagsabgeordnete, die Vorsitzenden von acht westlichen Landesverbänden, aber auch die Europa-Abgeordnete Özlem Alev Demirel haben es unterzeichnet.
Darin wird konstatiert, von »einigen in der Partei« werde »im Zuge der Debatte um Regierungsbeteiligungen« der antimilitaristische Gründungskonsens der Linken in Frage gestellt. »Wir sehen darin auch einen Angriff auf die friedenspolitischen Grundpositionen unserer Partei und weisen diesen Versuch, den Markenkern der Linken beschädigen zu wollen, in aller Schärfe zurück«, heißt es in der Erklärung. Weiter wird darin gemahnt: »Es hat keinen Sinn, eine Regierungsbeteiligung für die Linke zu erringen, wenn der Preis dafür ist, keine Linke mehr zu sein.« Statt »bedingungslose Koalitionsbereitschaft zu signalisieren«, müsse die Linke »Druck machen, damit sich die SPD wieder auf Frieden und Abrüstung verpflichtet und die Grünen sich ihrer pazifistischen Wurzeln erinnern«.
Ulla Jelpke sagte dem »nd«, es sei ein »Skandal«, dass einflussreiche Politiker der Linken die friedenspolitischen Grundsätze der Partei »ohne innerparteiliche Debatte zur Disposition stellen«. Angesichts dieser »Anbiederungspolitik« sei es »Zeit für ein Stoppsignal« gewesen. Zu den Unterzeichnern der Erklärung gehören derweil keineswegs nur »Hardliner« aus dem westdeutschen »Linksaußenflügel«, wie es »Spiegel online« formulierte, sondern auch zahlreiche Genossinnen und Genossen, die eher zur pragmatischen Mitte der Partei gehören. Und auch etliche aus Ostdeutschland, so die Bundestagsabgeordneten Kerstin Kassner, ehemalige Landrätin der Insel Rügen, und Norbert Müller.
Auch Martin Günther, stellvertretender Vorsitzender der brandenburgischen Linken, hat die Erklärung unterzeichnet. Er findet es wichtig, dass die friedenspolitischen Grundsätze der Partei nicht aufgeweicht werden. Diese seien nicht weniger bedeutend als die Positionen der Linken »in der sozialen Frage, beim Feminismus und in der Klimafrage«, sagte er am Dienstag gegenüber »nd«. Günther findet zudem, die Linke sollte nur dann in eine Bundesregierung gehen, »wenn wir gesellschaftliche Mehrheiten hinter uns vereinen können«.
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